Star Wars Ahsoka ist ein Witz und nichts kann es retten

Das ist nicht der Weg

Ich weiß gar nicht, wie ich die richtigen Worte finden soll. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich darüber geschrieben, wie der Disney Konzern das Star Wars Franchise nachhaltig ruiniert hat. Bei den Fans beliebte Charaktere wurden demontiert und epische Momente und Ergebnisse entwertet. Anstatt Star Wars dort zu lassen, wo es seine Stärken ausspielen kann, wurde schnell und hastig möglichst viel Content produziert und als TV Serien in die Streaming-Dienste gekübelt. Das lässt sich nicht mehr reparieren.
Mit der neuen Serie Ahsoka hätte der Micky-Maus Konzern eine Möglichkeit gehabt, Wiedergutmachung zu leisten. Jetzt stellt sich aber heraus, dass die Verantwortlichen nicht aus ihrer Haut können und vor allem Dave Filoni nicht der Retter von Star Wars ist. Er ist es einfach nicht.

Wie um alles in der Welt kommt man auf die Idee, eine TV Serie für eine möglichst kleine Zielgruppe des Star Wars Franchise zu konzipieren?

Ich dachte immer, der Sinn einer Realverfilmung mit entsprechend großem Budget wäre es, aus seiner Nerd-Bubble auszubrechen und ein größeres Publikum anzusprechen? Aber was weiß ich schon?

Nach den eher verhaltenen Kritiken beim Start der Serie auf Disney+ kommen die ganzen Nerds aus ihren Löchern und erklären mir, dass man nur dann als richtiger Star Wars Fan gilt, wenn man auch Zeichentrick-Serien wie Clone Wars und Rebels gesehen hat. Dann würde auf einmal alles in Ahsoka einen Sinn ergeben und sich die Genialität dieser Serie offenbaren.

Oh mein Gott.

Wie bescheuert ist das denn?

Natürlich brauche ich nicht alle Folgen der genannten Serien schauen. Es wären nur bestimmte Folgen aus bestimmten Staffeln für das grundlegende Verständnis von Ahsoka wichtig. Aber welche Folgen oder Staffeln das sein sollen – nicht mal darüber sind sich diese idiotischen Disney-Fans einig. Aber mir und anderen casuals quasi eine Gebrauchsanleitung zum Schauen einer Serie an die Hand geben wollen.

Fühlt es sich an, als ob man die Auftaktfolgen der ersten Staffel einer neuen Serie schaut? Nein. Könnte man mit diesem Umstand leben? Ja. Was müsste dafür passieren? Die Drehbuchscheiber müssten uns Casuals an die Hand nehmen, und uns erklären, was in der Vergangenheit passiert ist, in welchem Verhältnis die Hauptfiguren zueinander stehen und was zwischen ihnen vorgefallen ist. Es gibt doch nun so viele filmische Mittel, mit denen das erreicht werden kann. Und, passiert das? Nein, natürlich nicht. Disney hat sich entschieden, dass man lieber Fanservice für eine möglichst kleine und in sich geschlossene Zielgruppe betreibt als neue Zuschauerschichten zu erschließen.

Warum nur, warum?

Und selbst wenn man die ganze Clone Wars und Rebels Vorgeschichte einmal außer Acht lässt und ausblendet – die Serie also möglichst neutral verfolgt als das, was sie ist – funktioniert sie dann? Nein. Leider überhaupt nicht. Das fängt schon beim Hauptcharakter an. Wüsste ich so gar nichts über die Serie an sich und würde man mich nach den bisherigen Folgen fragen, unter welchem Titel die Show läuft – meine Antwort wäre „Sabine Wren“. Sorry, aber Ahsoka ist nur ein Sidekick in ihrer eigenen Show. Das hatten wir bei Loki schon erlebt aber offensichtlich ist das den Verantwortlichen auch nicht mehr so wichtig. Rosario Dawson ist eigentlich eine gute Schauspielerin und auch Mary Elizabeth Winstead kann vielleicht was reißen (bei Natasha Liu Bordizzo weiß ich es nicht). Aber entweder interpretieren sie ihre Rollen, exakt so wie es das Drehbuch vorgibt oder sie sind hier völlig überfordert. Es ist alles so lahm und zäh und die Dialoge wirken, als ob sie von einer KI geschrieben wurden (aber der Billigvariante von ChatGPT). Die Story verlangt von ihnen, dass sie dumm handeln. Beherzt aber eben dumm. Es ist so dumm, dass man plötzlich den bösen Gegenspielern, allen voran Baylan Skoll, die Daumen drückt. Die Vertreter der neuen Republik agieren hanebüchen dämlich, warum versuchen wir es da nicht lieber nochmal mit dem vorherigen Personal? Das handelt nur ein bisschen weniger dämlich als die Guten und hat mit dem verschollenen evil mastermind Grand Admiral Thrawn noch ein absolutes Ass im Ärmel.
Die Bösewichte erkennt man daran, dass sie Böses tun, böse gucken, wenig reden und gegensätzlich zu den Helden positioniert werden. Warum das aber nun so ist – also abgesehen davon, weil das Drehbuch es so will – wird nicht erklärt. Würden die Antagonisten etwas von ihrem Standing verlieren, nur weil man uns über ihre Motivation und Hintergründe aufklärt? Sicher nicht. Es würde sie umso interessanter machen. Ist bei Disney das nötige Talent vorhanden, um so eine Charakterzeichnung umzusetzen? Offensichtlich nicht. Oder es darf einfach nicht sein. Wie dem auch sei, das Ergebnis ist dasselbe. Also muss das Böse allein von der wuchtigen Präsenz und Ausstrahlung von Ray Stevenson leben. Doch das ist leider nicht ausreichend.

Ich habe soviele Fragen zu Ahsoka …

  • Wieso bringt man zwielichtige Gestalten mit offensichtlich schlechten Absichten auf sein Schiff? Wieso gibt es keine Sicherheitsschleusen, Kraftfelder oder andere Sicherheitssysteme? Wieso stellt man Personal ein, dass Flossen statt Händen besitzt und somit nicht mal eine Waffe bedienen kann?
  • Wozu trägt „General“ Hera eine Pilotenbrille und setzt diese aber nie auf?
  • Ich weiß ja nicht, wie die Stellenbeschreibung bei einem General in den Streitkräften der Neuen Republik ist, aber hätte Hera nicht einen Stab zu leiten bzw. Büroarbeit zu erledigen?
  • Was ist überhaupt ihr Aufgabenbereich?
  • Falls sie ein General mit Befehlsgewalt über kämpfende Truppen ist – was für Einheiten sind das?
  • Müsste sie nicht eher eine Offizierin im Rang eines Admirals sein? Oder ist das eher eine Auszeichnung ehrenhalber?
  • Warum gibt es keine einheitlichen Uniformen und weshalb sehen die Rangabzeichen aus wie Blisterpackungen von Lutschpastillen?
  • Und warum hat sie so einen verdammt geilen Arsch? Warum fällt mir das an ihr noch am ehesten auf?
  • Warum stellt Rosario Dawson ihren Charakter Ahsoka hier wie eine Schlaftablette dar? Ist das Absicht? Was ist mit der Ahsoka aus der 2. Staffel von The Mandalorian passiert?
  • Warum verschränken alle die Arme, wenn sie miteinander reden? Ist das so ein „das ist in diesem Kulturkreis so üblich“ Ding?
  • Weshalb wird hier eine Schnitzeljagd wie in Indiana Jones veranstaltet? Warum mal wieder nur „Karten“?
  • Wieso kann in dieser ganzen Galaxie nur eine gescheiterte Graffiti-Künstlerin das „Rätsel“ um die Karte lösen? Warum fühlt sich die Lösung auf Zauberwürfel-Niveau nur so peinlich billig an?
  • Wozu tragen Killer-Droiden Umhänge? Warum schicken die Auftraggeber die Billigmodelle, die ihren Auftrag nicht erfüllen aber beim kleinsten Widerstand sofort ihre Selbstzerstörungssequenz aktivieren?
  • Warum wird Sabine Wren die Padawan von Ahsoka, obwohl sie in keinster Weise machtsensitiv ist? War das nicht der Sinn einer Jedi-Ausbildung? Den richtigen Umgang mit der Macht lernen? Für Schwertkampf gibt es doch Youtube Videos.
  • Wenn Sabine bereits in der Vergangenheit die Schülerin Ahsokas war, warum wird sie im wiederaufgenommenen Training von Ahsoka mit Sprüchen aus Glückskeksen zugepflastert, als wäre dies die Einführungsstunde im Fahrschulunterricht? Was ist dann überhaupt im ersten Anlauf der Jedi-Ausbildung vermittelt worden? Was war Bestandteil des Trainings oder hat man erstmal ganz viel über sich selbst geredet?
  • Bekommen wir noch richtig heiße Girl on Girl Action? Ich möchte, dass dann wenigstens die mit dem geilen Arsch involviert ist und dann mal so richtig dominant Befehle erteilt. Ich meine, worauf soll es denn sonst hinauslaufen und was außer Sex soll diese Serie noch retten?
  • Wie schnell kann man einen Raumanzug anlegen, durch eine Luftschleuse treten und auf die Tragflächen eines Raumschiffs gelangen? Braucht man da Magnetstiefel?
  • Wie unfähig kann man sein, ein harmloses Raumschiff nicht zerstören zu können?
  • Gesetzt den Fall, man ermöglicht es einer Jedi mit Lichtschwertern, den eigenen Raumjäger durch zu dichtes Vorbeifliegen in Klump zu hauen – Welche Mitarbeiterbeurteilung kann man da wohl erwarten?
  • Bekommen wir auch nur irgendwann Grand Admiral Thrawn zu sehen? Oder passiert das erst in Staffel 2, von der wir jetzt gar nicht mehr so sicher sein können, dass es sie überhaupt geben wird?
  • Und weshalb überlebt Sabine Wren eine tödliche Verletzung durch ein Lichtschwert und läuft nach ein paar Aspirin und einem Druckverband herum als wäre nichts geschehen? Hat Shin Hatti nur ein Lichtschwert aus chinesischer Produktion? Herrgottsakra! Ein Lichtschwert war einmal die tödlichste und gefürchtetste Waffe im Star Wars Universum und jetzt ist Qui Gonn Jin nachweislich die einzige Pussy im gesamten Franchise.
  • Wozu C-3PO? Ich kann also einen Untersuchungsausschuss einfach dadurch kippen, dass ein dahergelaufener Droide Behauptungen aufstellt? Wenn etwas die Inkompetenz dieser Neuen Republik demonstriert, dann doch wohl diese Lachnummer. Ich hätte gern mein Imperium zurück.
  • Ist Ezra Bridger, dieser bekiffte Prince of Persia einfach nur eine Witzfigur, kann das sein? Ist das Absicht? 10 Jahre in einer anderen Galaxis gestrandet und das Wiedersehen gestaltet sich, als ob er mal eben von einem Camping-Wochenende mit den Jungs zurückkehrt ist?
  • Wieso kommt der geniale Mastermind Admiral Thrawn eher rüber wie ein minderbemittelter Apparatschick, der in einem Dunkin Dounts gestrandet ist? Wieso sieht er aus wie Elon Musk als Schlumpf?
  • Sind die fast schon ernstzunehmenden Stormtrooper in Andor einfach nur ein Ausrutscher?

Don’t believe the Hype

Ja, diese Serie hat ihre Fans und es mag Aspekte geben, die gelungen sind und sie vor einer völligen Katastrophe bewahren. Aber gemessen an den Erwartungen, die dieser Hype geweckt hat – ist Ahsoka bisher eine riesengroße Enttäuschung. Es trägt nicht zur Wiederbelebung des Franchise bei.

Star Wars war bisher immer etwas Besonderes, Einzigartiges, Herausstechendes – aber Ahsoka ist nur noch durchschnittlicher Content. Niemand abonniert Disney+ um diese Show zu schauen. Ihr sollt Ahsoka konsumieren, um danach den nächsten heißen Scheiss zu konsumieren. Und immer so weiter. Es darf nichts passieren, was im Gedächtnis bleibt. Was Konsequenzen hat. Was erinnerungswürdig ist. Schließlich wollen wir uns ja keine unnötigen inhaltlichen Hindernisse für unsere nächste Zirkusshow erschaffen.

Bleibt nur noch die Hoffnung auf die 2. Staffel von Andor. Hier investieren wir zwar auch nur in einen totgeweihten Charakter ohne Zukunft, aber das ist derzeit nun mal das einzige Stwar Wars Programm für Erwachsene aus dem Hause Disney. Dass es niemand sehen will ist verständlich. Die Gehirnwäsche von Teilen der Zuschauer über die Jahre hinweg war dann doch recht erfolgreich, während sich die Fans der ersten Stunde spätestens nach den Sequels und einigen gruseligen TV Serien abgewandt haben.

Ich verstehe es. Ahsoka ist wie auch Boba Fett, Obi-Wan-Kenobi und in Teilen auch Mandalorian für Kinder gemacht und wahrscheinlich passt es da auch für Arsch auf Eimer. Und das ist dann so okay für mich. Aber bitte kommuniziert es dann auch genau so.

Dune 2021 – Mein Gott, ich will meine Lebenszeit zurück

Wie angekündigt, wird die Fortsetzung zu Dune 2021 nun doch nicht mehr 2023 in den Kinos gezeigt, sondern ist auf irgendwann 2024 verschoben. Grund ist der noch immer andauernde Streik in Hollywood und damit verbunden das Verbot für Schauspieler, den Film zu bewerben. Und bei Blockbustern dieser Größenordnung geht ohne Werbung nichts mehr, zumal das Einstiegswerk jetzt auch kein Mega-Erfolg an den Kinokassen war.

Um genau zu sein, muss ich mir jetzt auch echt überlegen, ob ich mit den zweiten Teil überhaupt noch antue. Schon die 2021er Version hat mir 2,5 Stunden Lebenszeit regelrecht gestohlen. Der Film lebt nur von seinem Hype. Lässt man das ganze Brimborium um die literarische Vorlage, die großen Namen und die 6 Oscars weg – dann bleibt ein zwar schön photographierter und phantastisch ausgestatteter aber ebenso überlanger wie langweiliger Film übrig.

Nun sagen viele Leute, dass David Lynch mit seiner 1984 in den Kinos erschienenen Verflimung von Dune krachend gescheitert sei. Ihm wäre es nicht gelungen, die Komplexität des Ausgangsmaterials glaubhaft umzusetzen. Der Film wäre darüber hinaus cheesy. Ja, dem kann man allem zustimmen (muss aber nicht). Allerdings folgen hier auch viele Aber. Lynch hatte nur einen Spielfilm mit Überlänge zur Verfügung, um Herberts Dune-Kosmos zu erzählen. Soweit ich weiß, ist der Film auch ein Opfer des nachträglichen Schnitts. Eine Stunde Laufzeit soll dabei weggefallen sein. Da wäre man doch mal auf den Directors Cut gespannt. Dass sich die Studios und Produzenten in die künstlerische Arbeit von Regisseuren und anderen Kreativen einmischen, ist also kein Phänomen der Neuzeit.
Dennoch erschafft David Lynch einen Film, der vom Look and Feel her einzigartig ist. Er bringt im Wesentlichen die ganze Geschichte in einem Film unter und fügt weitere Elemente noch hinzu. Villeneuve hingegen benötigt zwei Filme (mindestens) und lässt (bisher) bei den Fans beliebte Gimmicks weg. Ich weiß, er will sich enger an der literarischen Vorlage orientieren, aber bei wem will er damit punkten? Zu gern hätte ich einen Gilde Navigator gesehen, der in der 1984er Realisierung einer der Höhepunkte des Films war. Die Spice-Droge ist die absolut grundlegende Substanz dafür, dass es überhaupt Navigatoren gibt. Ohne Navigatoren ist wiederum die interstellare Raumfahrt nicht möglich. Ohne die interstellare Raumfahrt würde es also auch kein Imperium, wie es der Film kennt, geben. Spice kommt nur auf Arrakis vor, weshalb sich alles um diesen Wüstenplaneten dreht. Regisseur Villeneuve erzählt uns hier aber lieber eine Geschichte, die das alles in den Hintergrund drängt und eher als ein Survival-, Kriegs- und Religionsfilm daherkommt. Ganz ehrlich, das könnte auch Black Hawk Down sein.

Die Charaktere bleiben in ihrer Interaktion mit anderen Charakteren blass. Wer, was, wann und warum macht ist nicht nachvollziehbar. Dabei hat die Romanvorlage alles, aber auch wirklich alles zu bieten, was diesen Film zu einem Game of Thrones im Weltall machen könnte.
Timothée Chalamet wirkt in seiner Rolle, als ob ihn uns Hollwood mit Gewalt aufdrücken will. Als Kind der 1980er ist für mich Kyle MacLachlan der einzig wahre Paul Atreides. Sorry Kid, du langweilst nur.
Oscar Isaac – da sieht man erst einmal, wie lachhaft die Star Wars Sequels in der Figurengestaltung eigentlich sind. Der Mann hat’s drauf, wenn man ihm die entsprechenden Rollen gibt. Rebecca Fergusons Interpretation der Lady Jessica ziehe ich um Meilen der von Francesca Annis vor. Allerdings ist sie mir zu jung. Der Altersunterschied zu ihrem Filmsohn dürfte nur knapp 10 Jahre betragen. Zendaya, ach wie schön leuchten deine blauen Augen. Vielleicht darfst Du im Sequel ja auch noch schauspielern, statt nur für Visionen herzuhalten. Aquaman ohne Zauselbart ist komisch anzusehen, aber Jason Momoa ist hier ganz okay. Leider leider ist sein Duncan Idaho im Film einfach nur da und als er dann heroisch stirbt, quittiere ich das mit einem Schulterzucken. Machs gut Momoa, wir sehen Dich dann in Aquaman 2.
Josh Brolin – wie vielschichtig und furchteinflößend war dein Thanos in der Marvel Reihe? Der große Kriegermentat Thufir Hawat erinnert optisch eher an einen britischen General aus dem Zweiten Weltkrieg. Vom genialen Analysten und weitsichtigen Denker sehe ich hier aber nichts. Stellan Skarsgård darf seinen kahlen Schädel zeigen, sich darüberstreichen und dabei mehr oder weniger bedeutungsvolle Phrasen in die Kamera raunen. Aber so richtig weiß ich gar nicht, warum ich ihn als Bösewicht verabscheuen soll. Dasselbe trifft auf Dave Bautista zu. Er zeigt eine beeindruckende physische Präsenz, aber war seine Figur im Jahr 1984 einfältig-brutal, ist 2021 Glossu Rabban nur noch brutal und ein Mann der Tat.

Hans Zimmer ist eigentlich eine feste Bank, was epische Filmmusiken betrifft. Hatte mich Brian Eno 1984 mit seinem sphärischen und bizarren Soundtrack zu Dune echt gekriegt, nervt mich der Score, den Zimmer 2021 beigesteuert hat. Da bleibt wirklich nichts im Gedächtnis, abgesehen von dem verstörenden Dudelsack Intro bei der Ankunft auf Arrakis, dem Kehlkopfgesang bei der Einführung der Sadaukar und dem dauernden Chorgeschrei, wenn Paul als Messias dargestellt wird. Alles muss dabei so krampfhaft an den Orient und den Islam erinnern. Vielleicht hätte Villeneuve einfach etwas aus dem Nahostkonflikt verfilmen sollen?

David Lynch und auch John Harrison, der Schöpfer der 2000er Mini-Serie, haben eigentlich bewiesen, dass es schwer bis unmöglich ist, Frank Herberts Romanreihe zu verfilmen. Es sei denn, man macht ein Franchise wie bei Tolkiens Herr der Ringe daraus. Aber wer geht heute noch so ein Risiko ein? Ich schätze, bei Villeneuve war es die Aussicht auf einen Film, bei dem sich viele Möglichkeiten für gewaltig schöne Bilder und lang andauernde Background Shots ergeben. Hat mal jemand allein die Traumsequenzen gezählt, die Paul vom Fremenmädchen Chani hat? Dazu die Einblendungen des Crysdolches, bis auch der letzte Dummy verstanden hat, dass das ein wichtiges Utensil ist?
Und dann ist da natürlich noch die Wüste, die Villeneuve schon so hingebungsvoll in Blade Runner 2049 gefilmt hat. Obwohl dort Temperaturen von 140 Grad herrschen sollen, schwitzt niemand, gerät niemand außer Atem, hat niemand Sonnenbrand oder auch nur aufgesprungene Lippen.

Warum läuft der Film in einem Tempo ab, das an eine angezogene Handbremse erinnert? Ja, schon klar – der Regisseur nimmt sich „Zeit“, um seine Story zu erzählen. Aber erzählt wird ja nicht wirklich was. Es fühlt sich an, wie ein sehr langer Trailer und am Ende wartet man darauf, dass der Film jetzt endlich beginnt. Macht er natürlich nicht und beim Abrollen der Credits fragt man sich, was habe ich hier eigentlich gesehen?

Ich kann einfach nur hoffen, dass es bei Teil 2 heißt, Leinen los und mit Volldampf voraus. Der Trailer bietet einem ja auch etwas an, aber ich habe Befürchtungen, dass damit schon alle Action-Sequenzen gezeigt wurden. Christopher Walken spielt ja den Imperator und eigentlich ist auf den Meister immer Verlass, aber auch ein Schauspieler von diesem Format kann nur mit dem arbeiten, was ihm gegeben wird. Dasselbe trifft auf Florence Pugh zu. Ich wünsche mir sehr, dass ihre Prinzessin Irulan die entsprechende Screentime und Bedeutung erhält, denn sie hat eine wirkliche Präsenz auf der Leinwand.
Austin Butler übernimmt die Rolle als Feyd Harkonnen, dem psychopathischen aber hochgefährlichen Thronerbe des Hauses Harkonnen. Mit allem Respekt gegenüber Mister Butler, aber kann sich noch jemand an Joaquin Phoenix in Gladiator erinnern? War das ein mal ein ernstzunehmender Gegenspieler für Russel Crowe oder nicht?

Die Sache mit den 10 Oscar Nominierungen und den 6 tatsächlichen Auszeichnungen. Ich bin immer mehr der Meinung, dass solche Preisverleihungen mit höchster Skepsis zu bewerten sind. Ein Oscar ist ein Oscar, da kann keiner was abbeißen. Aber es ist etwas anderes, in einem starken Jahrgang zu triumphieren als Preise einzuheimsen, wenn die Konkurrenz durchschnittlich oder schwach ist. Wie wäre es denn mal, auch gar keine Auszeichnungen und Preise zu verleihen, wenn es das Angebot nicht hergibt.

Alles in allem ist Dune 2021 ein langweiliger Sci-Fi Spielfilm mit zum Teil sehr guten Schauspielern, die sich unter Wert verkaufen müssen, weil ihnen das Script nicht wirklich was an die Hand gibt. Keine der handelnden Figuren ist dazu geeignet, dass wir mit ihr mitfiebern oder sie entschieden ablehnen. Der Film möchte uns unbedingt etwas mitteilen, weiß aber selbst nicht genau, was. Gleichzeitig sagt er uns in erschöpfender Wiederholung, dass hier etwas sehr Bedeutungsvolles und Großes passiert oder noch passieren wird. Wir Zuschauer sind uns aber nicht sicher, ob das wirklich das große Rad ist, an dem gedreht wird. Es fühlt sich nicht so an. Die Photographie ist gut, manche Einstellungen wirklich episch. Aber auch alles sehr distanziert und … kühl, haha. Versteht ihr? Kühl … wegen Wüstenplanet und so. Nichts ruft bei mir eine Resonanz hervor, weil die Bilder, die Räume und Landschaften in keinem Bezug zu dem stehen, was bei den handelnden Menschen passiert.
Letzten Endes bin ich dem Hype auf den Leim gegangen und habe wertvolle Stunden Lebenszeit vergeudet. Andererseits wäre dann auch nicht dieser Artikel entstanden. Mit jeder Tür die sich schließt, wird auch eine andere geöffnet.

Star Wars ist tot – Warum Disney, warum?

Disney und Star Wars – da ist etwas zusammengekommen, was nie zusammenkommen hätte dürfen.

Eins der größten, angesehensten und respektiertesten Franchises in der Geschichte des Kinos – ruiniert. Das muss man erst einmal schaffen.
Die Sequels sind die Totengräber der gesamten Filmreihe und lassen selbst die von den Fans geschmähten Prequels wie cineastische Meisterwerke aussehen. Ich verspüren den inneren Drang, einen Charakter wie Jar Jar Binks zu mögen und mir ein Spin-Off des liebenswürdigen Doofkopps zu wünschen!
Dazu kommt die Flut an TV-Serien, die dann bei Disneys Streamingplattform versendet werden. Abgesehen von Andor ist das Meiste Mittelmaß oder einfach nur schlecht (Obi Wan Kenobi). Mittlerweile kann man diese Produkte nicht mehr konsumieren, ohne sich auf Nerd-Level im Franchise auszukennen. Es ist alles nur noch Selbstreferenz.

Noch vor den Sequels haben die Fans gedacht: was für gigantische Möglichkeiten stehen den Verantwortlichen zur Verfügung! Welche Chancen hätten sich mit der finanziellen Power von Disney ergeben? Was für hungrige Schauspieler, geniale Drehbuchschreiber und phantastische Plots hätten wir haben können? Dazu würdevolle Abgänge von beliebten und etablierten Alt-Stars.

Nichts von dem ist wahr geworden oder eingetreten.

Und ich frage mich bis heute, ob das aus reiner Dummheit und Unfähigkeit oder aus purer Absicht passiert ist? War es nur eine zufällige Zusammenkunft von Ereignissen oder steckt da ein System dahinter?

Der erste Teil der Fortsetzungen, „Das Erwachen der Macht“ war tatsächlich an den Kinokassen erfolgreich und man hat sich von diesem Erfolg blenden lassen. Allerdings gibt es handfeste Gründe für das Einspielergebnis und diese haben nur wenig mit dem Film an sich zu tun. Erstens war es bei seinem Erscheinen auch schon wieder 10 Jahre her, dass der abschließende Teil der George Lucas Prequels im Kino lief. Die Leute hatten einfach wieder Bock auf Star Wars und keinen Bock mehr auf George Lucas (oh wie hat sich alles geändert). Zweitens stellte sich dieser Film als dreistes Remake von „A New Hope“ aus dem Jahre 1977 heraus. Bei Disney muss man sich gedacht haben: besser bei einem guten Film geklaut als einen schlechten selbst gedreht. Ich weiß, Erfolgsdruck und Sicherheitsdenken, aber wurde denn Disney gezwungen, mehrere Milliarden Dollar für die Rechte hinzublättern?
Man sieht diesem Ergebnis die zugrunde liegende Faulheit und Einfallslosigkeit in jeder Sekunde an, so dass sein kommerzieller Erfolg erst recht eine Schande ist.

Trotz des konventionellen und betulichen „The Force Awakens“ hielt sich bei mir immer noch die Hoffnung, dass wir von den neuen Figuren etwas zu erwarten hätten, wenn nur beim Nachfolger die Handbremse gelöst wird. Doch mit „The Last Jedi“ ist die Flamme der Hoffnung endgültig erloschen. Dieser Film ist ein einziger Stinkefinger in Richtung der alten Fans. Es gibt genügend Reviews, die dieses Machwerk stundenlang auseinandernehmen. Schaut einfach bei Youtube nach.
Nur soviel: da wartet man 35 Jahre, ja 35 verdammte Jahre, um mit Luke Skywalker einen der größten Helden des Franchise wieder in Aktion zu sehen – und was bekommt man? Einen verbitterten, alten Mann, der sich aufgegeben hat. Zurückgezogen auf einer einsamen Insel lebend wartet er nun auf den Tod, während er grüne Milch von drolligen Space-Seekühen trinkt. Das tat richtig weh. Danke Lucasfilm, Danke Disney. Ihr wisst eben, was das Beste für die Zuschauer ist.
Dieser Jedi-Ritter hat zuvor allen Gefahren unerschrocken ins Auge geblickt, jede Herausforderung angenommen und seine Freunde nie im Stich gelassen. Nebenbei hat er dann auch noch die Galaxis gerettet. Diese griesgrämige Version von Luke Skywalker muss förmlich dazu gezwungen werden, der jungen Rey eine zweitägige Unterweisung in der Macht zuteil werden zu lassen. In der höchsten Not sorgt der Regisseur für einen gehörigen Mindfuck, als Luke scheinbar doch noch in den Endkampf eingreift. Stellt sich allerdings heraus, dass der alte Betrüger sich mittels einer Art Zoom-Meeting für Jedi auf den Planeten projiziert. Danach stirbt er recht unspektakulär an Auszehrung. Da hätte er mal besser eine Flatrate buchen sollen. Abgesehen von diesem traurigen Ende einer einstigen Heldenfigur – zu welchem Zeitpunkt ist uns eigentlich mitgeteilt worden, dass die Jedi diese Avatar-Nummer im Programm haben? Lazy, shitty Booking!

Es folgt ganz großes Kino, was stellvertretend für den ganzen Film steht:

Auf auf und davon

Kleiner Tipp an Disney bzw. Lucasfilm: es könnte hilfreich sein, wenn man sich im Vorfeld zusammensetzt, um so eine Filmreihe konzeptionell zu durchdenken. Danach sucht man sich die Regisseure aus, von denen man meint, dass sie dieses Konzept am besten umsetzen. Noch besser, wenn man ihnen Leitregeln gibt, was storytechnisch geht und was nicht. Nicht andersrum. Es ist ja schön und gut, dass Regisseur Johnson seine ganz „eigenen Ideen“ hatte und Star Wars von allem befreien wollte, was es im Grunde ausmacht. Dazu den Vorgänger negiert und seine eigene Geschichte erzählt.
Nur warum darf dann so jemand überhaupt einen Star Wars Film drehen? Was ist der Sinn?

Star Wars 9 ist dann auch die meiste Zeit damit beschäftigt, die vermeintlichen Fehler aus Star Wars 8 zu reparieren. So hat er dann gar keine Zeit und Möglichkeit, ein eigenständiger Film zu sein. Wo er es dann doch ist, wird es albern – weil J.J. Abrams wie zu Beginn der Sequels auf Nummer Sicher geht. Die Rückkehr von Imperator Palpatine ist der definitive kreative Bankrott. Dieses lazy, shitty Booking entwertet die Originalfilme (vor allem „Die Rückkehr der Jedi“), Lukes Heldenreise, Darth Vaders Sacrifice und Palpatines Ende mehr als es Ryan Johnson mit seinem großen Stinker je geschafft hätte. Der Film ist in seinem andauernden Versuch von Fanservice sowas von plump und dumm. Ja, ich möchte ganz fest daran glauben, dass es hauptsächlich an den Schwierigkeiten hinter den Kameras lag, aber wahrscheinlich hätte Abrams auch unter besten Bedingungen denselben Film gedreht. Dass mittendrin Carrie Fisher gestorben ist, war vielleicht auch nicht unbedingt hilfreich.

Über die Filme hinweg haben es alle Beteiligten nicht geschafft, eine kohärente Geschichte zu erzählen oder aus den handelnden Personen Charaktere mit Identifikationspotential und Eigenständigkeit zu machen. Die Figurenzeichnung ist weder glaubhaft noch einnehmend. Bei einigen Rollen ist sie nicht einmal vorhanden wie zum Beispiel General Hux oder Captain Phasma. Zumindest kann sich Gwendoline Christie nun damit brüsten, in Star Wars mitgespielt zu haben.
Rey, Poe, Fynn – sie sind einfach nur da, weil das Drehbuch sie braucht. Sie tun Dinge, weil das Drehbuch es verlangt und der Film nicht nur Special Effects und Landschaften zeigen kann. Ihre Motivationen und Verhaltensweisen sind, sofern denn sichtbar, unveränderlicher Natur. Keinem Charakter wird eine Entwicklung zugestanden. Ihre Beziehungen zueinander und anderen Menschen werden nie erklärt – etwas, worauf in den Originalfilmen besonders Wert gelegt wurde.

Die alten Helden werden nur noch für Nostalgia und Etablierung der neuen Stars zurückgebracht. Das ist an sich nicht verkehrt. Dafür sind Schauspieler in dieser Phase ihrer Karriere nun mal da. Es kommt halt immer darauf an, wie man das anstellt. Lässt man die Figuren intakt und verschafft ihnen einen würdigen Abgang, zahlt sich das auch für die nächste Generation aus. Die Übergabe des Staffelstabes sozusagen. Hier aber lässt man sie Dinge tun (oder auch nicht-tun) und sagen, die in völligem Kontrast zu dem stehen, was wir von der Person kennen. War Obi Wan Kenobi für Luke Skywalker noch Vaterersatz und Mentor, so ist genau dieser Luke Skywalker für Rey nur noch ein alter Mann, den man vorführen kann. Beibringen braucht er ihr nichts mehr, sie kann eh schon alles. Und was will man auch von einem Mentor erwarten, der als Pädagoge versagt hat und seinen eigenen Neffen abmurksen will, weil dieser eine Empfänglichkeit für die dunkle Seite der Macht zeigt? Han Solo ist nur noch ein wirrer Trottel, der sein Leben nicht auf die Reihe kriegt und offenbar ständig sein Raumschiff verliert. Zusätzlich bekommt er von Jungspund Rey gezeigt, wie man die Schrottmühle richtig fliegt.
Prinzessin Leia, so stellt es sich heraus, ist natürlich die viel bessere Lehrerin für Rey, weil sie von Luke trainiert wurde und ihn irgendwann übertrumpft hat. Inklusive Flug durch den Weltraum in Superman-Pose.
Der Schaden, den man mit dieser Demontage anrichtet, ist immens. Nicht nur verärgert das die Langzeit-Fans, es überträgt auch ein schlechtes Gefühl auf die neuen Helden, die eigentlich von der Interaktion mit den Altstars profitieren sollten.
Gut, dass der alternde Harrison Ford in keinem Action-lastigen Blockbuster mehr die Hauptrolle spielt. Hüstel, hüstel.
Lucasfilm hat es damit auch verpasst, das legendäre Trio ein letztes Mal zusammenzubringen. Die ganze Filmreihe ist eine Ansammlung verpasster Pay-offs und nun, da Carrie Fisher tatsächlich verstorben ist und die Filmcharaktere von Mark Hamill und Harrison Ford auch das Zeitliche gesegnet haben, hat sich diese Tür für immer geschlossen. Aber wer weiß, vielleicht entdeckt ja Star Wars noch das Multiversum für sich.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in Hollywood niemanden mehr gibt, der sein Handwerk versteht. Niemanden, der weiß, wie man ikonische Figuren konzipiert und ein Gespür für intelligentes Storytelling hat. Es sind garantiert solche Talente vorhanden, die erhalten aber wahrscheinlich keine Chance in big machine. Dazu kommt der Druck, unter denen Studios wie Disney stehen. Bei den aktuellen Budgets für Blockbuster schmerzt ein finanzieller Mißerfolg an den Kinokassen besonders. Natürlich ist dann die Versuchung groß, Bewährtes zu recyclen und nicht vom vermeintlich sicheren Pfad abzuweichen. Aber hätten die Filme und nun auch die Serien deshalb so schlecht werden müssen? Ist man gleichzeitig dazu gezwungen, gesunden Menschenverstand, innere Logik und Einfallsreichtum auszuschalten?
Ich bin mir sicher, selbst diese Sequels hätte man durch einige Änderungen hier und da zu besseren Filmen machen können. Selbst, wenn man die übergeordnete Storyline beibehalten hätte.

Jetzt weiß ich auch nicht weiter. Würde ich mir einen neuen Film mit Rey ex-Palpatine jetzt Skywalker im Kino ansehen? Die Sequels haben bewirkt, dass mich ihr Tun und Handeln nicht sonderlich interessiert. Was kann es nach dem Sieg über das absolut Böse in Form von Imperator Palpatine für sie noch an Aufgaben geben? Wenn es einen noch größeren und böseren Gegenspieler geben sollte, war Palpatine dann just another Bond Villain?

Ihr Schicksal ist mir damit egal.

Gemessen an dem, was eine Fortführung kosten würde und wie gespalten die Fangemeinde diesbezüglich ist, wird Disney mit größter anzunehmender Wahrscheinlichkeit auf Sicht fahren. Etwas radikal Neues, Bahnbrechendes wird nicht zu erwarten sein.

Killing Eve – großartig und enttäuschend

Ich will es gleich vorweg nehmen. So sehr ich mich auch bemühte, es ist dann doch ein veritabler Rant geworden. Inklusive wilden Gedankensprüngen, Abschweifungen und weit hergeholten Vergleichen. Das lag nicht unbedingt in meiner Absicht, aber nun akzeptiere ich es.

Ich habe mir letztens das DVD Set von Killing Eve gekauft. Ja, ich habe bereits im Vorfeld alle Folgen im TV gesehen und auch die Diskussionen dazu verfolgt. Und dennoch habe ich gutes Geld dafür ausgegeben.

Für diejenigen, die nicht wissen, worum es geht: Die zwischen 2018 – 2022 produzierte Serie ist im Geheimdienstmillieu angesiedelt. Die Hauptfiguren sind zwei Frauen auf unterschiedlichen Seiten des Gesetzes. Auf der einen Seite haben wir Eve Polastri, Mitarbeiterin beim MI5 (später MI6) und auf der anderen Seite Villanelle, Auftragsmörderin einer Verbrecherorganisation. Eve und Villanelle könnten unterschiedlicher nicht sein. Eve ist eine Art Mauerblümchen. Unausgelastet in ihrem Job, verheiratet mit einem Lehrer und einer merkwürdigen Obsession für Killer. Villanelle ist eine psychopathische Mörderin. Der Job beschert ihr ein passables Einkommen verbunden mit einem extravaganten Lebensstil und Dienstreisen zu den schönsten Locations in Europa. Ausgelöst durch die Morde entwickelt sich zwischen den beiden Frauen ein Katz- und Mausspiel, aus dem sich eine recht seltsame Beziehung entwickelt.

Killing Eve ist hervorragend gemachte Fernsehunterhaltung. Wir bekommen einen spannenden Plot, gute Schauspieler, jede Menge Morde und auch humorvolle Szenen. Eigentlich alles im grünen Bereich.

Aber

Aber …………..

Das wird jetzt schwer für uns alle, glauben sie mir.

Ich bin nämlich enttäuscht und angepisst. Killing Eve ist leider nicht so gut, wie sie sein könnte. Sein müsste. Angst vor der eigenen Courage, Autoren die ihre Figuren nicht ansatzweise verstanden haben und letztlich auch die Bevormundung der Fans führen dazu, dass man am Schluss mit dem Arsch das einreißt, was man vorher mühevoll mit den Händen aufgebaut hat.

Staffeln 1 bis 4

Wir können das anhand der einzelnen Staffeln ausdrücken: Staffel 1 ist hervorragend. Sie ist nicht perfekt, aber hier befindet sich die Serie auf ihrem erzählerischen Höhepunkt. Die Hauptcharaktere werden gut eingeführt und die Story konsequent vorangetrieben.
Staffel 2 ist für sich genommen auch noch gut, fällt aber aufgrund ihrer Mutlosigkeit schon etwas gegenüber ihrer Vorgängerin ab.
Staffel 3 ist dann so eine Wundertüte. Man bekommt noch immer tolle Momente oder auch Episoden serviert, aber es sind auch deutliche Abnutzungsspuren erkennbar. So als ob die Autoren angewiesen wurden, Zeit zu schinden und nur irgendwas zu produzieren, damit die Serie noch nicht endet. Es wirkt, als wüsste man nicht, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln soll. Würde die ganze Serie mit dieser Staffel enden – ich könnte damit leben (auch wenn es nicht das wäre, was sich alle erwartet hätten). Zumindest waren bis dahin die Charaktere intakt.

Und dann diese 4. Staffel. Oh my God. Was soll ich dazu sagen? So ähnlich muss es sich angefühlt haben, als J.J. Abrams mit seinem Star Wars Film „Rise of Skywalker“ dem Vorgänger „The Last Jedi“ von Ryan Johnson den Stinkefinger zeigt. Anders kann ich es mir nicht erklären. So brutal hier die Vorgeschichte ignoriert wird, glaube ich den Gerüchten, dass es gibt noch eine „verlorene“ Staffel dazwischen gibt. Die ist irgendwie im Multiverse verlorengegangen und konnte deshalb nie gesendet werden. Hier stimmt nichts mehr.
Ich muss vielleicht etwas ausholen. Es lässt sich nicht verheimlichen – ich bin ein alter Sack. Und als solcher erinnere ich mich zu meinem Leidwesen noch an TV Shows und Kinofilme früherer Zeiten. Um wieviel besser waren die Drehbücher geschrieben, wie akribisch hat man an den Inszenierungen gefeilt und wie sehr haben sich alle bemüht, einen fiktiven Charakter intakt zu lassen. Die heutigen Verantwortlichen sollten beschämt sein, wenn sie ihre schlampige Arbeit mit der Qualität von früher vergleichen. Fühlt sich an, als wenn der Opa gleich wieder vom Krieg erzählt? Mag sein, mir egal. War früher alles Gold und heute alles Müll? Natürlich nicht, aber abgesehen von überteuerten Bombast Serien für Streamingdienste ist doch in den letzten Jahren nicht wirklich viel auf den Markt geworfen worden, an was man sich noch in 20 Jahren erinnern wird. Die Abwesenheit wirklich ikonischer Umsetzungen ist schon bezeichnend. Da gab es zum Beispiel mal die Krimi-Serie „Miami Vice“, die Maßstäbe setzte. Die Älteren werden sich an die supercoolen Detectives Crocket und Tubbs erinnern, die vor stylisher Kulisse Fälle lösten. Die Serie begann mit zwei hervorragenden Staffeln. Das Niveau hielt bis zur Mitte von Staffel 3. Dann ging es steil bergab. Staffel 4 war grauenhaft. Dann kam Staffel 5 und die Serie fand einen melancholischen Abschluss. Weil sie aber ihre einstige Qualität wiedererlangt hat, waren die Fans auch wieder versöhnt. Die 4. Staffel von Miami Vice ist das, was Staffel 4 bei Killing Eve ist. Nur dass es eben keine rettende Staffel 5 gibt! Die Serie endet nach einer Staffel zum Abschalten auch noch mit dem denkbar schlechtesten Finale. Da kommen nur noch Game of Thrones und Luther ran. Die Fans werden hier genauso betrogen.

Wie kann man all das über Bord werfen, was in den vorherigen Episoden so gut funktioniert hat? Warum? Wie kann man seine eigenen Charaktere so mißverstehen bzw. nicht erkennen, was die Fans an ihnen lieben?

Bin ich zu alt für „modernes“ TV?

Ja, es kann generell so sein, dass ich nicht mehr die Zielgruppe für solche Formate bin. Dass solche Inhalte nicht für mich geschrieben werden, weil ich andere Ansprüche habe. Ich erwarte glaubwürdige Charaktere (sofern das bei Serienkillern oder Superhelden möglich ist), verständliche Motivationen und zugrundeliegende Konflikte, die die Handlung vorantreiben. Was gezeigt wird, muss zweckdienlich für die Story sein und einfach nur passieren, damit es eben passiert. Ich habe nichts gegen vielschichtige und komplexe Figuren, die sich im Lauf der Zeit entwickeln, aber diese Entwicklung sollte nachvollziehbar und logisch sein.
Wie ich in diesen Reaction-Videos auf Youtube feststellen durfte, schaut ein Großteil der Menschen dort solche Serien nur des Affektes wegen. Man hangelt sich beim binge-watching von einem Spot zum anderen. Das bedeutet, dass die Linearität und Kausalität der Ereignisse sowie die Art der Beziehungen einzelner Personen zueinander weniger wichtig sind als der Affekt einzelner Szenen. Es ist wie in einem modernen Action-Kracher, in welchem diese oder jene Action zu sehen ist und bejubelt wird, unabhängig davon, ob sie jetzt irgendetwas zur Story beiträgt, zur richtigen Zeit stattfindet und von der richtigen Person ausgeführt wird. Eigentlich reicht dem heutigen Publikum ein Best-Of Zusammenschnitt.

Alle Rollen sind bis in die Nebenrollen hinein hervorragend besetzt. Manche sind offensichtlich länger in der Show behalten worden als vielleicht vorgesehen war (Kenny, Konstantin … ), weil sie so gut funktionieren und dem Publikum ans Herz gewachsen sind.

Jodie Comer ist ein Glücksgriff. One in a million. Vielleicht hätte es adäquaten Ersatz gegeben, aber das ist nur Spekulation. Es ist ihre Show. Alles steht und fällt mir ihr. Sie stiehlt jede Szene, in der sie zu sehen ist.

Oh, oh … Sandra Oh

Und jetzt tut es mir leid für alle Greys Anatomy Fans: Ich brauche Sandra Oh hier nicht. Ich kann mit ihr nichts anfangen. Ist sie eine gute Schauspielerin und und sympathische Kollegin? Kann sein. Interessiert mich nicht. Wenn sie in anderen Formaten und Rollen überzeugen sollte, schön für sie. Soll sie woanders vorsprechen, aber bitte hier nicht. Es ist jetzt nicht so, dass sie fürchterlich schlecht spielt- aber ich nehme ihr das Ergebnis nicht ab. Sorry, kein bisschen. Sie hat gefühlt zwei Gesichtsausdrücke, mit denen sie sich durch 31 Folgen spielt (nein, in der Russland-Folge ist sie nicht einmal zu sehen). Vielleicht ist es mit asiatischen Gesichtern bei westlichen Sehgewohnheiten generell schwierig?! Ich sehe in denen nicht viel passieren. Diese gegenseitige Anziehung und die Chemie, die zwischen der Agentin und der Killerin herrschen soll – die ist in meinen Augen nicht existent. Sie ist nur Behauptung, weil es das Drehbuch so will. Wie so vieles in dieser Geschichte immer nur behauptet wird, aber nie durch Schauspiel oder Handlung belegt. Ich weiß nicht, ob es am Drehbuch oder an Sandra Ohs Interpretation oder an beidem liegt: Eve Polastri ist kein glaubwürdiger Charakter. Weder sympathiere ich mit ihr, noch ist ihre Wandlung nachzuvollziehen. Ich finde sie stattdessen in höchstem Maße nervig, anstrengend und manipulativ. Gleichzeitig ist ihr ein hohes Maß an Selbstüberschätzung zu eigen, dass häufig katastrophale Konsequenzen hat. Wie heißt es im Sprichwort? Arroganz muss man sich leisten können, but she can’t backup – wie man im Englischen sagen würde. Und heiß im Sinne von sexy? Bitte was? Natürlich sind die Geschmäcker verschieden, aber dass Villanelle ein wie auch immer geartetes sexuelles Interesse an ihr hat, was über einen romantischen Aspekt hinausgeht, ist schwer zu vermitteln. Ich habe öfter den Eindruck, eine alternative Version der Serie geschaut zu haben, als die ganzen Smarks da draußen.

Warum wird sich in so viel Nebengedöns verheddert?

So gut viele der hier eingesetzten Schauspieler auch sein mögen, die Produzenten tun sich schwer damit, diese Talente gezielt und ausgewogen einzusetzen. Adrian Scarborough als temporärer Handler und sozusagen „Abdecker“ war eine Ausnahme. Sehr dosiert eingesetzt und mit einem sich auszahlenden Pay-off. Allerdings fragt man sich, warum es dann so ein Kaliber wie Scarborough sein muss, wenn er dann doch nur mit einer Axt im Kopf endet – aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Bei den anderen Hochkarätern fragt man sich, warum man ihnen soviel Screentime gönnt, wenn es sich letzten Endes nicht auszahlt. Warum hatten wir eine ganze Staffel lang Harriet Walter da drin? Wozu war Camill Cottin dabei? Hat jemand ihre Beweggründe verstanden? Wenn sie denn so wichtig war, warum fühlte sich ihr Tod dann so unbedeutend an? An ihrem Aufbau über die Folgen hinweg, hätte ich mit einer epischen Schlacht zwischen ihr und Villanelle gerechnet. Und natürlich hätte ein kleiner Stuhl zum Einsatz kommen müssen (Insider). Warum halten wir uns so lange mit Gunn auf? Die Super-Killerin, die von Ich-bin-eine-zweimal-mehr-Super-Killerin Eve mit wenigen Handgriffen außer Gefecht gesetzt wird. Warum war der Mustache so lange noch ein Thema?
Fiona Shaw ist eine phantastische Schauspielerin, wir wissen das. Aber kann sie das nicht in anderen, separaten Formaten zeigen? Wann immer ich mehr vom verhinderten Liebespaar sehen will, setzt man uns Carolyn Martens und ihre kaputte Familie vor die Nase. Gemma Wheelan als Carolyns Tochter. Was für eine großartige Idee, wenn sich herausstellt, dass sie Teil der Verschwörung ist! Was für eine Enttäuschung, dass Yara Greyjoy nur die anstrengende Tochter spielen soll und urplötzlich in die Wüste geschickt wird. Und dabei fand ich sie nicht mal anstrengend. Sie war Carolyns Spiegel, der schonungslos offen gelegt hat, wie moralisch und mental kaputt die alternde Meisterspionin geworden ist.

Warum wird nur getriggert aber nie abgezogen?

Was mich ebenso nervt ist der fehlende Mut, all in zu gehen. Auf das Potential der Geschichte zu vertrauen und zwei Frauen auf eine Spur der Vernichtung zu schicken. Dazu die erste Staffel straffen oder zwei zusätzliche Folgen geben und das ungleiche Paar romantisch wie sexuell zusammenzubringen. Dann schauen, wohin die Reise geht.
Stattdessen wird geteasert und geteasert und geteasert, aber am Ende nicht geliefert. Alles ist nur falscher Alarm. Es ist wie mit dem Jungen, der immer Wölfe ruft. Frustrierend.

Am Ende von Staffel 1 hat man gedacht: geil, jetzt geht’s endlich los.
War nüschts.
Am Ende von Staffel 2 hat man gedacht: nu aber, der Wind steht richtig, der Kurs ist gesetzt -Leinen los.
Wieder nüscht.
Kurz vor Ende von Staffel 3 hat man gescherzt: das wird doch wieder nichts?!
Und: es wurde wieder nichts, wenn auch mit bitter-süßem Plottwist.

Als Villanelle und Eve dann kurz vor Ende der Serie doch noch zusammengebracht wurden – ja, wurden, denn organisch fühlte sich da nichts an – da war es mir bereits egal. Ich hatte mit der Idee abgeschlossen und wollte es auch nicht mehr, dass es noch passiert. Ich war zu der Überzeugung gelangt: dass Eve Villanelle gar nicht verdient. Ich drückte ihr die Daumen und meine im Stillen: Come on, Girl. Such Dir ein anderes heißes Chick und werde glücklich. Eve kann bei Yusuf bleiben oder sich einen neuen polnischen Schnurrbart suchen. Villanelles „I’m done with you“ aus der vorletzten Folge war der erste glaubhafte Moment in dieser Staffel und hat mir aus der Seele gesprochen. Und dann sieht man förmlich die Drehbuchautoren vor seinen Augen, wie sie uns von Folge zu Folge langweilen, sich ob der witzigen Ideen und Einfälle auf die Schenkel klopfen und dann aber entsetzt realisieren, dass es nur noch 2 Folgen bis zum Staffel- UND Serienfinale sind und man irgendwie zu einem Ende kommen muss. Dann müssen, Wunder oh Wunder, eine halbherzige Liebeserklärung, eine gemeinsame Nacht im Schlafsack und ein gemeinsames Freiluftpinkeln ausreichen, damit herzhaft geknutscht wird und sich alle Widersprüche in purer Liebe auflösen. Und wir Zuschauer sind verdammt dazu, das einfach zu schlucken, während man uns gleichzeitig sagt, für wie dumm man uns hält. Das ist schon frech und unverschämt.

Der Humor

Was mich zuerst erfreut, aber später ungemein gestört hat, ist die platte Comedy, die sich seit Staffel 2 in Killing Eve breitgemacht hat. Ich mag Filme und Serien, die nicht alles bierernst abhandeln sondern auch mal ein Augenzwinkern anbieten. In der ersten Staffel hat das auch ganz wunderbar funktioniert und auch in den späteren Folgen sind lustige Einfälle zu finden. Aber generell wirkt der hier eingesetzte Humor immer mehr erzwungen. Zu Beginn ergaben sich lustige Stellen durch absurde Konstellationen (ich sage nur Klobürste) oder witzige, pointierte Dialoge. Und natürlich durch den kindlichen Charakter Villanelles. Aber selbst die Geburtstagsfeier für Konstantin, die völlig drüber war, wird dann wieder aufgelöst, indem Villanelle ihn mit ihrem Wissen über seine Tochter bedroht.
Die Comedy ist spätestens ab Staffel 3 aber vor allem in der letzten Staffel nur deshalb da, weil es ab jetzt lustig sein muss. Die Witze finden um ihrer selbst Willen statt. Es gibt Slapstick, wo keiner hingehört (Geiselnahme mit Ver-Unfall-ung des Therapeuten Martin) oder Klamauk (Villanelle beim Mist-Weitwurf oder der Tod der Katze Luzifer) bis hin zum Knallchargentum (Händchenhalten und Hechelübungen wie bei einer Entbindung, während eine scheinbar lebensbedrohende Verletzung behandelt wird). Man kann diesen Szenen für sich durchaus den einen oder anderen Lacher abgewinnen, aber nach meinem Verständnis werden die handelnden Personen dadurch beschädigt und selbst zur Witzfigur. Wie soll ich so eine Nummer einordnen, wenn gleich im Anschluss wieder jemand brutal gefoltert/ermordet wird?
Ich weiß, gerade in Villanelles Falls soll der Klamauk ihren Charakter nahbarer machen. Aber durch ihre offensichtliche Transformation seit Staffel 3 und Hinterfragung ihres Tuns war sie mir eigentlich verständlich genug dargestellt worden. Ich hätte Villanelle-Jesus nicht gebraucht, auch wenn ich die Absicht des Autorenteams dahinter nachvollziehen kann. Und geliebt haben wir sie seit ihrem ersten Auftreten.
Es gibt diese erste Szene aus Staffel 4, in der Super-Agentin Eve Polastri nach einem Ethan Hunt mäßigen Auftritt bis zu Konstantin vordringt und ihm in die Hand schießt, während er ein Massagegerät auf dem Kopf trägt. Das ist so unfreiwillig komisch, weil es so völlig absurd und unglaubwürdig ist. Da hätte es nicht mal mehr die Badewannenszene mit Helene gebraucht, in der sich beide Frauen so unkomfortabel wie die Zuschauer an ihren Endgeräten fühlen. Die Macher haben mir damit auch nur bewiesen, dass sie die Serie letztlich nicht mehr ernst nehmen. Die scheint für sie nur noch Content zu sein, den man versenden muss. Es ist so schade, wenn neue Verantwortliche nicht mit der nötigen Sorgfalt und Respekt dem Material gegenüber umgehen, das ihnen anvertraut wurde. Auch schade, dass Jodie Comer zu diesem Zeitpunkt noch nicht der Star mit dem entsprechenden Standing war, um ihre Serienfigur zu schützen. Eine Natalie Dormer oder besser noch Ruth Wilson hätte manches Ansinnen der Drehbuchautoren einfach abgeblockt, obwohl ich mir seit dem Ende von Luther (Staffel 5) da auch nicht mehr ganz sicher bin. Aber vielleicht wollte sie einfach nur aussteigen, um jeden Preis.

Vergleiche

Wir brauchen nicht so zu tun, als hätte Killing Eve das Rad neu erfunden. Muss es ja auch nicht. Aber Vergleiche zu anderen Arbeiten drängen sich einfach auf und werden von mir angesprochen.

Für jede thematische Ebene in dieser Serie gibt es vergleichbare Vorlagen. Die junge Frau, die in die Killerrolle gezwungen wird – das hat Luc Besson 1990 bereits mit „Nikita“ auf die Kinoleinwand gebracht. Besser oder schlechter? Die Antwort ist abhängig von der Perspektive, aus der man das jeweilige Ergebnis betrachtet. Ein grundsätzlicher Unterschied besteht schon mal darin, dass Nikita keine Psychopathin ist. Bessons Werk fühlt es sich auch deutlich realistischer an als Killing Eve. Während Villanelle die Morde quasi im Spaziergang ausführt, geht bei Nikita auch mal was schief und sie muss improvisieren.
Anne Parillaud hat für ihre fesselnde Darstellung einer Killerin wider Willen leider nie die verdiente Anerkennung erhalten. Das mag auch an den ganzen Remake Filmen und Rip-off Serien liegen, die danach gekommen sind und in keiner Weise verstanden haben, worum es eigentlich geht bzw. nie die Qualität des Originals erreicht haben.

Restaurant-Szene aus „Nikita“ (1990) von Luc Besson
Jean Reno als The Cleaner macht keine Faxen

Bei den Geheimdienst-Serien ist meiner Ansicht nach „Spooks“ nicht zu schlagen. Ich konnte leider nicht die abschließende Konfrontation von Lucas North und Harry Pearce auf dem Dach finden, die im unsagbar traurigen Tod von Lucas endet, aber mögen diese Szenen für sich und die Serie im Allgemeinen sprechen:

Vor allem Barry aber auch Dexter sind Serien, die man in diesem Zusammenhang sicherlich nennen könnte.

Für eine Frauengeschichte mit Coming Out und dem ganzen Kram gibt es sicher auch zeitgenössische Beispiele.
Nimmt man aber alles zusammen und mixt es wild durcheinander, ist Killing Eve wahrscheinlich das Beste, was man kriegen kann.

Phoebe Waller Bridge

Bei der Beurteilung von Phoebe Waller Bridge herrscht in meinen Augen ein Mißverständnis vor. Vielleicht können wir das versuchen, auszuräumen bzw. ihre Rolle bei Killing Eve besser einordnen. Abseits der Glorifzierung.
Sie hat Killing Eve definitiv nicht „erfunden“, aber eben für eine Adaption der Romane fürs TV gesorgt. Credit where credit belongs. Wenn ihr aber diese Schöpfung so sehr am Herzen lag, weshalb hat sie ihr Baby dann nach der erste Staffel verlassen? Als Schauspieler hätte ich vor Beginn meines Engagements auf Kontinuität und Verlässlichkeit gepocht. Könnte es daran liegen, dass es nach diesem weder-Fisch-noch-Fleisch Staffelfinale unendlich schwieriger war, die Geschichte in der 2. Staffel fortzuschreiben?
PWB mag mit einer Begabung für das Schreiben pointierter Dialoge oder Szenen gesegnet zu sein. Mit vorhandenen Quellen arbeiten und diese für ein anderes Publikum umformen. Aber es ist eben nicht alles immer nur Fleabag. Wenn es darüber hinausgeht oder eine zusammenhängende Handlung verlangt wird, gerät sie ins Schlingern. Was im TV noch eine Stärker war, verkehrt sich in eine Schwäche. Was im kleinen Maßstab und bei genügend Episoden funktioniert, ist auf der großen Bühne und mit abgeschlossenem Handlungsbogen ungleich schwieriger. Han Solo: a Star Wars Story, James Bond – no time to die oder jetzt Indiana Jones 5 legen das brutal offen. Leider zieht niemand die nötigen Konsequenzen.
Deshalb weiß ich auch nicht, ob der Fortgang der Serie großartig anders verlaufen wäre, hätte sie bis zum Schluss alle Fäden in der Hand gehabt (wie das viele Kritiker behaupten). Vielleicht hätte es sich genau so zugetragen wie bei den anderen Verantwortlichen. Oder sogar schlimmer? Ihr Zaudern, bereits in Staffel 1 das Gaspedal durchzudrücken, lässt mich zweifeln, ob sie einen Plan für Staffel 2, 3 und 4 gehabt hätte.

Ein Ende mit Schrecken

Frage: Ist jemand traurig, das John Wick am Ende der Reihe stirbt?
Niemand hat per se etwas gegen ein tragisches Ende. Zwar ist die Filmwelt nicht unbedingt voll davon, weil Hollywood eher eine beruhigende und versöhnliche Botschaft vermitteln will, aber es gibt genügend Beispiele, wo auch ein tragisches Ende brillant und passend umgesetzt wurde.
Wo wäre dann das Problem, wenn beide im Endkampf gegen die 12 untergehen? Wozu wird die Show mit „Killing Eve“ benannt, wenn sie nicht mit Eves Tod endet? Ihre Entwicklung führte sie ohnehin in eine Sackgasse. Aber nein, dann hätten die kleinen, nerdigen Autoren ja keine Gelegenheit gehabt, ihren gemeinen Witz mit den Tarokarten unterzubringen. Denn wie es offensichtlich im Handbuch für Schreiberlinge geschrieben steht, muss Foreshadowing sein.
Und hätte nicht auch ein Happy End gepasst? Zwei Frauen, die sich endlich gefunden haben und nun unbeschwert ihr Leben leben. Bei dieser Möglichkeit muss doch eine Laolawelle durch die Lesbengemeinde gegangen sein?

Bin ich wirklich zu alt oder die Autoren einfach zu jung oder ignorant, dass sie Filme wie Thelma und Louise nicht kennen? Das ist nun 32 Jahre her und ich habe die finale Szene, den Dialog und den Song immer noch im Kopf. Ja, das Ende stimmt einen traurig aber auch versöhnlich.

Leon der Profi aus dem Jahre 1981 – nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Jean-Reno Film von 1994 – entstammt einer Zeit, in der das französische Action-Kino Maßstäbe setzte. Heute ist der Film längst in Vergessenheit geraten, nur an Morriconnes Chi Mai erinnert man sich noch. Wir, die Zuschauer und auch der Held der Geschichte selbst, spüren, dass es kein positives Ende geben wird. Über dem Film liegt eine traurige Grundstimmung, die uns immer mehr auf das Schicksal des Protagonisten einstimmt. Obwohl es kurz vorher einen kleinen Anflug von Hoffnung für Leon gibt, ist sein Ende unausweichlich. Ich habe selten so eine gut gedrehte Endszene gesehen. Der Score, der Schnitt und dazu die Handlung als Leon gelöst und entspannt seinen Weg zum rettenden Hubschrauber antritt, während parallel dazu die Verantwortlichen über sein Schicksal verhandeln (ich habe nur das französischsprachige Original gefunden, aber man muss nicht viel verstehen, um zu begreifen, was hier gesagt wird), als wäre es eine Haushaltsdebatte im Bundestag – das ist großes Tennis und verdeutlicht auf perfekte Weise, dass der Einzelne letzten Endes big machine nicht entkommen kann. Egal, ob es ein Machtapparat wie der französische Geheimdienst oder ein Verbrecherkartell wie die 12 sind. Das hätte ich mir für KE auch gewünscht.

Leon der Profi (1981) – gegen die „Maschine“ kommt man nicht an.

In den gezeigten Beispielen fühlt sich sich das Ende richtig an, während man bei Killing Eve hingegen einfach nur wütend und maßlos enttäuscht ist. Ein Tritt in die Magengrube. Dazu fühlt man sich betrogen. Wie kann man nur die Fans mit so einem Ende zurücklassen? Jetzt hoffen die Macher allen Ernstes, dass Killing Even Fans in die mögliche Spin-Off Serie über die absolut unwichtigen Abenteuer einer jungen Carolyn Martens einschalten? Wirklich?

Musikalische Schätze Teil 3: Carcass – Necroticism – Descanting the Insalubrious

Von allen weniger bekannten Bands, waren Carcass aus Liverpool eine der wichtigsten für die Entwicklung des Death Metal Ende der 1980er und frühen 1990er. Ich weiß, das werde ich noch bei vielen Bands auf diesem Blog sagen.

Neben Bands wie Napalm Death, Brutal Truth oder auch Terrorizer zählte die 1985 in Liverpool gegründete Band zu den Pionieren des Grindcore, aber ihr Werdegang sollte anders verlaufen. Ihr Beitrag zur Etablierung des Death Metal ist unbestritten und ist Anspieltipp für jeden Freund des gepflegten Tod-Metalles.

War Reek of Putrefaction noch ein reines Grindcore Album, hielten ab Simphonies of Sickness zusehends Death Metal Elemente Einzug. Mit ihrem 1992 veröffentlichten Longplayer Necroticism – Descanting the Insalubrious perfektionierten Carcass ihren Sound aus Melodic Death Metal mit Grindcore-Anleihen. Aufgrund seiner komplexen Gitarrenarbeit und anspruchsvollen Songstrukturen gilt dieses Album als Meilenstein in der Entwicklung des Death Metal.

Mein all time favourite von Carcass wird immer Necroticism – Descanting the Insalubrious sein.

Das Album zeigt Carcass auf dem Höhepunkt ihrer technischen Fähigkeiten und kreativen Vision. Es wird von der komplexen und abwechslungsreichen Gitarrenarbeit von Bill Steer und Michael Amott durchzogen. Man bekommt die Riffs nur so um die Ohren gehauen. Dazu Breaks, Tempowechsel, ab und an Rückfälle in den Grindcore. Man kann Elemente des Thrash Metal, Progressive Rock oder auch Jazz ausmachen. Die Texte behandeln weiterhin medizinische Themen wie Verfall, Zersetzung und Krankheit, sie sind aber tiefgründiger und poetischer als noch auf Simphony of Sickness oder sogar auf Reek of Putrefaction.
Auf diesem Album passiert mehr, als bei manchen Metalbands in ihrer gesamten Diskographie.

Das darauffolgende Heartwork gilt als ihr größter kommerzieller wie auch musikalischer Erfolg, markierte aber gleichzeitig den Niedergang der Band. Ich persönlich kann mit melodischem Death Metal nicht viel anfangen, obwohl sich auf dem hier vorgestellten Necroticism – Descanting the Insalubrious zahlreiche melodische Passagen befinden. Diese wirken aber eher groovy als krampfhaft herbeigeschrieben, wie das bei Heartwork der Fall ist.

Nach Heartwork folgte noch der Silberling Swanesong, welcher der Band aber kein Glück brachte. Aufgrund interner Spannungen lösten sich Carcass 1996 auf.

2007 starteten sie ein Comeback und veröffentlichten 2013 das Album „Surgical Steel„, das für seine Rückkehr zu den Wurzeln der Band gepriesen wurde, während es einige der melodischen Elemente, die sie auf „Heartwork“ erkundet hatten, integrierte.

Haben Carcass abgesehen von ihren Achtungserfolgen je den Underground verlassen? Ich glaube nicht wirklich, denn ihre Albumverkäufe lagen doch deutlich unter den damals bekannten großen Metalbands. Es gab einfach so viele gute Bands und wichtige Alben damals, dass die Leute heute nur die absoluten Top-Bands aus jedem Bereich kennen. Deshalb habe ich sie auch in diese Artikelserie mit aufgenommen. Nein, Carcass waren nie die ersten irgendwo. Sie haben keine Altars of Madness hervorgebracht und ich wage zu bezweifeln, dass eine ihrer Scheiben einen Platz unter den Top 5 auch nur irgendeiner Umfrage erreichen wird. Aber es lohnt sich dennoch, in ihrer Werk reinzuhören. Keines der Carcass-Alben ist richtig schlecht, aber jedes für sich sehr unterschiedlich. Die künstlerische Entwicklung der Band hat es mit sich gebracht, dass jeder Fan sein Lieblingsalbum (oder -alben) hat und andere Veröffentlichungen der Liverpooler geradezu ablehnt. Ich verstehe, dass die Grindcore-Schiene auf Dauer eine Sackgasse darstellte. Man kann nur unter Verwendung von Blast-Attacken und Screaming-Vocals keine große Abwechslung hervorbringen. Genauso birgt der melodische Death Metal die Gefahr, sich im seichten Mainstream zu verirren und die alten Fans gänzlich vor den Kopf zu stoßen.

Dieses Album inspirierte viele Bands und produzierte zahlreiche Carcass-Klone aber auch Musiker, die den Sound adaptierten oder weiterentwickelten.

Diese Fußball WM in Katar nervt mich schon jetzt

Was soll das?

Die Fußball Weltmeisterschaft 2022 in Katar nervt mich schon, bevor überhaupt die deutsche Nationalmanschaft ihr Auftaktspiel absolviert hat.

Mich nervt dieses späte Entdecken eines Gewissens bei großen Teilen deutscher Bedenkenträger. Wann ist diese WM vergeben worden? Vor 12, 13 Jahren? Man hatte also über ein Jahrzehnt Zeit, sich zu entscheiden, wie man mit dieser ungeliebten Entscheidung umgeht und ist heute keinen Schritt weiter?! Jeder betont, dass das ein sportliches Ereignis ist und nicht mit Politik vermischt werden soll – aber die größte Aufregung herrscht um Manuel Neuers Kapitänsbinde, die der Torwart gegen alle disziplinatorischen Widerstände hindurch präsentieren will. Wo erleben wir soviel Courage, wenn er der FC Bayern mal wieder in den Emiraten trainiert?
Ja, die Spieler selbst sollen in sich gehen und von sich aus boykottieren, damit wir anderen uns alle wohler fühlen. Entscheidungstransfer. Wäre ich ein Spitzenfußballer und der Bundestrainer hätte mich in die Riege der besten Spieler meines Landes berufen, ich wäre doch bescheuert, jetzt in den Sack zu hauen.

Dieser in der Theorie selten dämliche Zeitpunkt, um eine WM abzuhalten stellt sich auch in der Realität als absolute Spaßbremse heraus. Angesichts von -8 Grad gestern morgen dürstet es mich nach Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt, aber nicht nach „Get Togethers“ in einer Fußballkneipe. Auf den Straßen jede Menge Eis und Schnee, aber keine Fanmeile oder Gartenparties. Wer hätte das im Winter gedacht. Jetzt muss eben die Südhalbkugel bzw. der arabische Raum die nordische Lustlosigkeit kompensieren.
Nein, wir wissen, dass die Entscheidung für Katar keine sportlichen Gründe hatte. Es wurde dort nicht einer überbordenden Freude am Fußball entsprochen. In den Hinterhöfen der Wolkenkratzer wird nicht mit Konservendosen gekickt und auch werden die Stadien bei den regulären Ligaspielen nicht ausverkauft. Wir haben es ja beim Auftaktspiel gesehen. Das bisschen Fanvolk aus Katar selbst hat noch in der ersten Halbzeit das Stadion verlassen. Ein staufreier Heimweg war dann doch wichtiger, als Wohl und Wehe des eigenen Teams. Wenn man jetzt aber den Einwohnern attestiert, dass sie ihr Vergnügen eher aus Pferde-, Kamelrennen und Falkenjagd ziehen, dann schlägt in Deutschland aber die Empörungsampel auf rot-grün um. Wahrscheinlich muss man sich jetzt noch ganz schlecht fühlen, weil der aus der Zeit gefallene Showdampfer Wetten Dass 4 Millionen Menschen mehr begeistern konnte, als die Begegnung Katar – Ekuador.

Ja mir tut das für die Spieler und den Fußball leid, dass die das ausbaden müssen, was einige wenige Sportgewinnler ausgekaspert haben. Der Komiker und Satiriker Oliver Kalkofe hatte Recht. Dank der FIFA müssen wir uns jetzt für oder gegen den Fußball entscheiden, obwohl wir uns eigentlich schon für den Fußball begeistern wollen. Und zu Infantino schreibe ich jetzt mal nichts.
Ich bin aber der Meinung, dass die Welt weniger Clowns braucht.

Leider hat mir das ganze Generve rund um die Fußball WM in Katar jedweden Restspaß am Turnier und die Energie genommen, mich für dieses Großereignis zu begeistern. Stand jetzt werde ich die Resultate einfach zur Kenntnis nehmen.

Musikalische Schätze: Thor

And the people called Manowar cheesy …

Der allmächtige Thor in Gestalt von Jon Mikl Thor und seinen Mannen wird für immer einen Platz in meinem Herzen haben. Diese kanadische Band sticht heraus und erfährt erst in den letzten Jahren die Anerkennung, die sie meines Erachtens nach seit langem verdient. Aber dafür gibt es ja auch diese Beitragsserie. Um Bands oder Alben zu besprechen, die vom Mainstream nicht genug gewürdigt werden.

Wenn wir von nicht ganz ernstzunehmendem True Metal der 80er Jahre sprechen, kommt man an der Band Thor nicht vorbei. Es handelt sich hierbei auch eher um eine Konzept-Band (wie später GWAR), ein Hobby-Vehikel des Bandgründers Jon Mikl Thors. JMT war ein Bodybuilder, der sich nach einer sehr erfolgreichen Karriere entschloss, Rockstar zu werden. Meiner Meinung nach ein absolut nachvollziehbares und legitimes Lebensziel. Und welches Bühnengimmick wählt man sich als Bodybuilder? Natürlich die Figur der nordischen Mythologie schlechthin: Thor, der Gott des Donners. Stilecht stand JMT dann auch auf der Bühne: blonde Wuschelmähne, nackter muskulöser Oberkörper, Lederteile mit Nieten und oft einen Hammer oder ein Schwert schwingend. Um das Strongman Image zu unterstützen, wurden bei Auftritten auf Eisenstangen mit den Zähnen verbogen oder Betonteile auf dem Bauch zerkloppt. Mein Gott, was hat man damals bei Konzerten alles geboten bekommen.

In annähernd dasselbe Genre fallen weitere, ja förmlich unzählige Bands aus dieser Zeit. Die wichtigsten und deutlich bekannteren Konkurrenten sind natürlich Manowar. Auch musikalisch waren die auf einem anderen Level unterwegs, selbst wenn sich Thor nicht zu verstecken brauchen und vor Manowar aktiv waren und das Konzept der archaischen Nordmänner ein paar Jahre eher auf die Bühne brachten. Und um ganz ehrlich zu sein: mit Manowar kann ich eher wenig anfangen, auch wenn sie hin und wieder ganz gute Arbeit abgeliefert haben. Aber diese Selbstüberschätzung und -beweihräucherung geht mir gehörig auf den Sack.
Erfinder des Viking- oder Pagan-Metal waren Thor dann aber auch nicht. Vielleicht nur das optisch beeindruckender Aushängeschild. Hier stehen für mich eindeutig Heavy Load in erster Reihe. Der zeitliche Vorsprung mag knapp sein, aber er ist nun mal da. Außerdem kam die Band aus Schweden (Heimvorteil) und übertrieb es im Gimmick nicht so sehr wie Thor. Jon Mikl Thor wurde aufgrund seines Bodybuilder-Backgrounds und des Image nie so richtig ernst genommen.

Zur Illustration des Vergleichs hier ein Heavy Load Song ihres Albums „Metal Conquest“ aus dem Jahre 1979:

Musikalisch und textlich befinden wir uns bei Heavy Load von Beginn an in dem, was später Viking Metal genannt werden soll.

Die ersten Thor Veröffentlichungen in den späten 70ern fielen noch in die Zeit des Proto-Metal, waren also eher rockig mit Glam-Rock Einsprengseln. Hier zwei Beispiele:

Diso-Thor …

Erinnert mich immer ein bisschen an Bands wie Sweet (no offense here).

Später wurde die Musik schon härter und bewegte sich immer mehr in Richtung Power- bzw. True Metal,wofür Thor bis heute bekannt sind und geliebt werden.

Aber bei den Göttern Wallhallas, was für großartige Videos haben Thor später gemacht! Kompromisslos billig und albern. Einfach nur witzig.

Auskopplung von „Unchained“ (?) 1983
Thor: Lightning Strikes von „Unchained“ 1983.
Thor: Knock em down von „only the strong“ 1985.

Ja, die Stimme und die Vocals. Natürlich sind wir hier nicht auf dem Niveau eines Bruce Dickinson oder Rob Halford. Aber mit den Jahren hat JMT dazugelernt und sich verbessert. Keine Passagen mehr gesungen, die nicht seiner Stimme und seinem Können entsprachen. Und ich habe definitiv Schlechteres gehört.
Auch die Produktion der Thor Alben bewegt sich nicht auf Premium-Niveau, aber wie auch für JMT Stimme gilt: habe schon Schlechteres aber dafür mehr Gehyptes gehört. Die Gitarrenarbeit ist gut bis sehr gut. Viele sägende Monsterriffs, auf denen der Sänger seine Stories transportiert. Drums und Bass solide. Dazu überzeugende Soli auf der Gitarre.

Man muss es sagen: Thor machen einfach Spaß (wenn man sie nicht zu ernst nimmt). Die Musik lässt sich gut hören und man denkt an keiner Stelle: Oh Gott, wie schlecht war das jetzt?

Thors Fall in die vergessene Zone wurde dadurch vorangetrieben, dass in den 1980ern eine Konkurrenz in ihrer Kategorie erwuchs, die oftmals einiges besser machte. Es ist aber nicht immer die bessere Qualität, die sich durchsetzt – in diesem Fall war es einfach die schiere Masse an Nachahmungstätern, die auf den Zug aufgesprungen sind. Spätestens ab Mitte der 1980er Jahre entwickelte sich auch der Heavy Metal weiter. Leder blieb zwar weiterhin in Mode, aber Felle nicht. Conan der Barbar, Texte über nordische Götter und Power Metal an sich waren nicht mehr so nachgefragt. Neue Musikstile, professionelle Videos und teurere Produktionen verdrängten Bands der ersten Stunde. Nur folgerichtig, dass sich Thor 1987 auflösten, um dann 10 Jahre später im Zuge der großen Retro- und Revival-Welle wieder zusammenfanden. Seitdem machen sie so weiter, als wäre es immer noch 1983. Der nackte Oberkörper ist aus ästhetischen und Altersgründen einer Phantasierüstung gewichen. Ich anerkenne es, wenn jemand seinen Stiefel durchzieht und seiner Sache treu bleibt – aber schon damals war diese Art von Heavy Metal mehr eine Kuriosität und nicht auf Langlebigkeit ausgelegt (gut, der Erfolg von Bands wie Sabaton scheint mich Lügen zu strafen), aber heute kann ich mich schwer damit anfreunden, dass Thor immer noch dieselbe Art von Musik (mit leichten Anpassungen) machen wie vor 35-40 Jahren und dazu dasselbe Image pflegen. Es fühlt sich an, wie ein Ripp-Off.

Meine Anspieltipps sind Alben wie Only the Strong (1985), Recruits, Wild In The Streets (1986) und die EP Unchained (1983) aus ihrer erfolgreichsten Phase. Aber auch ihr Debüt Keep the Dogs away (1977) hat seinen ganz eigenen Reiz und ist für Freunde des Glam-Rock eine musikalische Perle.

Es gibt auch eine Doku namens I am Thor aus dem Jahre 2015, die ich aber noch nicht gesehen habe. Wahrscheinlich wird daraus noch besser ersichtlich, worin die Faszination für die Band Thor bestand und bis heute besteht.

Bad Heat on the Brasserie Lorraine

Liebe Genossenschaft Restaurant Brasserie Lorraine in Bern. Manchmal ist es im Geschäftsleben wie im Professionell Wrestling. Und hin und wieder schießt man kapitale Böcke, im Wrestling wie im Leben.
Im Wrestling wird immer versucht Heat zu erzeugen. „To get heat on somebody“ bedeutet, dass einer oder mehrere der Akteure aus Publikumssicht mit Emotionen behaftet, quasi aufgeladen werden. Und weil Heat nie ein Selbstzweck ist, muss man genau wissen, wie sie sich auszahlen soll. Der Bösewicht soll noch böser rüberkommen, der Held noch strahlender. Wir unterscheiden dabei zwei Arten von Heat: positive heat und negative heat. Beide Arten stehen in Wechselwirkung miteinander, beide Arten von Heat werden unterschiedlich erzeugt und in Wert gesetzt und man muss sehr vorsichtig im Umgang sein. Vor allem mit der negative Heat. Wenn diese nicht richtig kanalisiert wird, schlägt sie unvorteilhaft als Backlash zurück. Jetzt werden Leute kommen und sagen, dass Heat erzeugen nichts anderes wäre, als Aufmerksamkeit erregen und jede Art von Aufmerksamkeit ist richtig und gern gesehen (any news is good news). Leider gilt das nur in einem auf Kurfristigkeit angelegten Geschäftsmodell und schon gar nicht für „Marken“. Die erholen sich von negativer Aufmerksamkeit unter Umständen überhaupt nicht und sind irreparabel beschädigt.

Jetzt hat die gute Brasserie Lorraine Bern mit dem Konzertabbruch der Mundart-Band lauwarm förmlich nuclear heat erzeugt. Was genau passiert ist und warum erfahrt ihr aus den Medien, das trete ich hier nicht noch einmal breit. Nur soviel: man hat wohl die Rechnung falsch aufgemacht, indem man glaubte, der erwartete moralische Gewinn übertrifft die Verluste (ein paar empörte Konzertbesucher) um ein Vielfaches. Jetzt hat man unglaublich viel negative heat an der falschen Stelle erzeugt und wird sie nicht mehr los. Im Wrestling wäre das jetzt die Stelle, wo der Bösewicht in Stellung gebracht wurde, sich zutiefst hinterhältig und schlecht benahm und nun … und nun der strahlende Held fehlt, der die Situation mit seiner positive heat auflöst. Zu dieser Auflösung ist es nicht mehr gekommen. Der Held (die Band lauwarm) ist als Verlierer aus dieser Konfrontation gegangen, im Ruf beschädigt und die Brasserie wird die negative heat nicht los. Das Publikum ist zwar mega engagiert, weil es nicht das serviert bekommen hat, was es sehen wollte – aber letztlich auch unzufrieden mit dem Ausgang. Normalerweise sollte sich heat für die Beteiligten auszahlen. In diesem Fall mit positiven Bewertungen und mehr Gästen der Beiz. Aber seit Tagen ist man dort damit beschäftigt, negative Google Bewertungen löschen zu lassen und sich mit widersprüchlichen Pressemitteilungen noch tiefer reinzureiten. Ob die Besucherzahl konform sinkt, kann ich nicht beurteilen, aber zumindest Musiker und Künstler werden es sich bestimmt zweimal überlegen, ob sie dort auftreten werden. Dafür, dass der Fall nun sogar international Schlagzeilen macht, kann sich die Brasserie in Bern nichts kaufen. Heat ist eben kein Selbstzweck.

Die Marke „Genossenschaft Brasserie Lorraine“ ist jetzt massiv beschädigt und eigentlich müsste jetzt die Führungsetage bzw. die Verantwortlichen zurücktreten. Im Wrestling wäre der Booker auch gefeuert worden und die Wrestler für eine Zeit ins dog house gesperrt. Solche verbockten Aktionen haben auch schon manche Karriere beendet. Hätte man jetzt einfach mal im Handbuch für Brand-Manager nachgeschlagen oder brain.exe benutzt, dann würde man sicher mit einem großen Sorry aufgewartet haben, um Vergebung bitten und den Shitstorm versuchen abzureiten, ohne über jedes Stöckchen zu springen. Passiert aber nicht. Nur löst sich negative heat nicht einfach auf, nur weil man sich das wünscht.

Gratulation, das diesjährige Sommerloch heißt Layla

Krieg in Europa (Ukraine), wirtschaftliche Verwerfungen sowie überlastete Gesundheitssysteme (nicht ausschließlich aber auch wegen Corona) und eine baldige Gas- und Energiekrise – aber die Menschen haben die Diskussion um einen Ballermann-Hit namens „Layla“ zum diesjährigen Sommerloch gekürt. So schlecht kann es uns also noch nicht gehen.

Jetzt wird herzhaft gestritten und argumentiert. Darf dieser Song gespielt werden, sollte man ihn verbieten? Ist er sexistisch, rassistisch, antisemitisch, whatever? Geht jetzt die Hochkultur vor die Hunde? Und was ist überhaupt mit der Spider Murphy Gang, wo sich die Nutten die Füße plattstanden und jeder heute noch Rosis Nummer kennt (Datenschutz, irgendwer?).

Mir ist klar, dass in Krisenzeiten alles ein wenig anders funktioniert und die Leute nach banalen Aufregern suchen, um nicht täglich mit der Realität konfrontiert zu werden – aber so ein selten dämliches Thema, um das Sommerloch zu stopfen, hatten wir selten. Ich meine, es ist ja nicht einmal ein Sommerloch vorhanden, Themen gäbe es genug, die uns unter den Fingernägeln brennen sollten (siehe Eingangsparagraph). Es ist nicht so sehr das Vorhandensein eines Sommerlochs überhaupt; es ist nur diese unglaubliche Diskrepanz zwischen dem eigentlich Wichtigen und der dämlichen Layla-Debatte. Nur zur Erinnerung: es fühlte sich sogar der Bundesjustizminister berufen, einen Kommentar abzugeben.

Und nein, ich kann auch Eric Claptons „Layla“ nicht mehr hören.

Lasst doch die Leute hören, was sie wollen. Es sei denn, es verstößt gegen das Gesetz. Ansonsten gilt die Kunstfreiheit.

Ein Nachruf, den ich so nie schreiben wollte

Normalerweise veröffentliche ich hier nur halbwegs seriöse Inhalte und hätte nie gedacht, mal eine Art Nachruf zu schreiben.

Wobei, eigentlich finde ich Nachrufe ja nicht so prickelnd. Man hat immer das Gefühl, dass Nachrufe nie den richtigen Ton treffen und die darin geschilderten Aktivitäten zwischen banal und hochtrabend schwanken.

Also fasse ich mich hier kurz.

Ich habe auch noch gar nicht richtig realisiert, was passiert ist.
Ich weiß zwar, was geschehen ist – ich habe es zum Teil aus den lokalen Nachrichten erfahren – aber es ist noch nicht oben angekommen. Ich weiß auch, dass ab jetzt nie wieder (vorzugsweise) am Sonntag das Telefon klingeln wird und ich nicht mehr mit meiner Oma über Gott und die Welt sprechen werde. Ich werde wohl dennoch jeden Sonntag auf ein Klingeln warten oder den Mail-Account auf Nachrichten prüfen – und ich werde bitter enttäuscht werden. Und zwar jedes Mal, wenn wider besseren Wissens in mir die Erwartung wächst und mir das Unbewusste einen grausamen Streich spielt. Ein Beispiel: kurz nach der tragischen Nachricht lag eine ihrer geliebt kitschigen Oster-Postkarten im Briefkasten. Lebendig abgeschickt, nach dem Sterben angekommen. Ein Totengruß. Das war wirklich hart.

Alles nur, weil es einen absolut unnötigen und grausam verlaufenen „Unfall“ gab (die Polizeibehörden ermitteln noch, weshalb ich hier nicht alles im Detail schreibe, um die Klage nicht zu gefährden). Ja, wir alle wünschen uns, bei bester Gesundheit mit 120 Jahren im Kreise der Lieben einzuschlafen. Aber das ist eben nicht immer so. Nur, diese Art von Tod hat sie nicht „verdient“. Wie immer man verdienen auch definieren mag. Genugtuung, wenn die Schuldigen verurteilt werden? Am Ergebnis ändert es nichts. Es würde mich nur deprimieren, wenn sie davonkämen – aber vielleicht wird auch genau das passieren.

Da sie ca. 8.000 km weit weg wohnt, habe ich es nicht rechtzeitig zum „Service“ geschafft. Und auch vorher hätte ich definitiv wieder einen Besuch dort einrichten können. Habe ich nicht gemacht. Ich bin oft genug gebeten worden und ich habe es aus diesen und anderen Gründen nicht getan. Dann kam Corona und danach wäre ich vielleicht Schritt für Schritt bereit gewesen. Seit Jahren hat sich in meinem Innern die Gewissheit verfestigt, dass mir dies irgendwann auf die Füsse fällt. Nun ist es früher gekommen als gedacht und jetzt muss ich damit leben.

Und ich kann auch nur hoffen, dass sie trotz ihrer stets nach Außen getragenen Weigerung, über die Vergangenheit zu sprechen, im Heimlichen ein paar Notizen gemacht hat, mit denen wir die vielen Leerstellen in unserer holprigen und brüchigen Familiengeschichte füllen können.
Nun liegt sie auf einem Militärfriedhof im Niemandsland (fragt nicht). Und wenn der Witwer demnächst fortzieht (was er aufgrund des Alters und Verfasstheit tun wird), dann ist niemand mehr vor Ort, der mal zu diesem Grab geht, davor stehenbleibt und vielleicht nachdenkt, was für ein Mensch hier liegt. Das zu wissen stimmt mich traurig. Wie mich die ganze Sache sehr sehr müde und abgeschlagen zurücklässt.