Killing Eve – großartig und enttäuschend

Ich will es gleich vorweg nehmen. So sehr ich mich auch bemühte, es ist dann doch ein veritabler Rant geworden. Inklusive wilden Gedankensprüngen, Abschweifungen und weit hergeholten Vergleichen. Das lag nicht unbedingt in meiner Absicht, aber nun akzeptiere ich es.

Ich habe mir letztens das DVD Set von Killing Eve gekauft. Ja, ich habe bereits im Vorfeld alle Folgen im TV gesehen und auch die Diskussionen dazu verfolgt. Und dennoch habe ich gutes Geld dafür ausgegeben.

Für diejenigen, die nicht wissen, worum es geht: Die zwischen 2018 – 2022 produzierte Serie ist im Geheimdienstmillieu angesiedelt. Die Hauptfiguren sind zwei Frauen auf unterschiedlichen Seiten des Gesetzes. Auf der einen Seite haben wir Eve Polastri, Mitarbeiterin beim MI5 (später MI6) und auf der anderen Seite Villanelle, Auftragsmörderin einer Verbrecherorganisation. Eve und Villanelle könnten unterschiedlicher nicht sein. Eve ist eine Art Mauerblümchen. Unausgelastet in ihrem Job, verheiratet mit einem Lehrer und einer merkwürdigen Obsession für Killer. Villanelle ist eine psychopathische Mörderin. Der Job beschert ihr ein passables Einkommen verbunden mit einem extravaganten Lebensstil und Dienstreisen zu den schönsten Locations in Europa. Ausgelöst durch die Morde entwickelt sich zwischen den beiden Frauen ein Katz- und Mausspiel, aus dem sich eine recht seltsame Beziehung entwickelt.

Killing Eve ist hervorragend gemachte Fernsehunterhaltung. Wir bekommen einen spannenden Plot, gute Schauspieler, jede Menge Morde und auch humorvolle Szenen. Eigentlich alles im grünen Bereich.

Aber

Aber …………..

Das wird jetzt schwer für uns alle, glauben sie mir.

Ich bin nämlich enttäuscht und angepisst. Killing Eve ist leider nicht so gut, wie sie sein könnte. Sein müsste. Angst vor der eigenen Courage, Autoren die ihre Figuren nicht ansatzweise verstanden haben und letztlich auch die Bevormundung der Fans führen dazu, dass man am Schluss mit dem Arsch das einreißt, was man vorher mühevoll mit den Händen aufgebaut hat.

Staffeln 1 bis 4

Wir können das anhand der einzelnen Staffeln ausdrücken: Staffel 1 ist hervorragend. Sie ist nicht perfekt, aber hier befindet sich die Serie auf ihrem erzählerischen Höhepunkt. Die Hauptcharaktere werden gut eingeführt und die Story konsequent vorangetrieben.
Staffel 2 ist für sich genommen auch noch gut, fällt aber aufgrund ihrer Mutlosigkeit schon etwas gegenüber ihrer Vorgängerin ab.
Staffel 3 ist dann so eine Wundertüte. Man bekommt noch immer tolle Momente oder auch Episoden serviert, aber es sind auch deutliche Abnutzungsspuren erkennbar. So als ob die Autoren angewiesen wurden, Zeit zu schinden und nur irgendwas zu produzieren, damit die Serie noch nicht endet. Es wirkt, als wüsste man nicht, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln soll. Würde die ganze Serie mit dieser Staffel enden – ich könnte damit leben (auch wenn es nicht das wäre, was sich alle erwartet hätten). Zumindest waren bis dahin die Charaktere intakt.

Und dann diese 4. Staffel. Oh my God. Was soll ich dazu sagen? So ähnlich muss es sich angefühlt haben, als J.J. Abrams mit seinem Star Wars Film „Rise of Skywalker“ dem Vorgänger „The Last Jedi“ von Ryan Johnson den Stinkefinger zeigt. Anders kann ich es mir nicht erklären. So brutal hier die Vorgeschichte ignoriert wird, glaube ich den Gerüchten, dass es gibt noch eine „verlorene“ Staffel dazwischen gibt. Die ist irgendwie im Multiverse verlorengegangen und konnte deshalb nie gesendet werden. Hier stimmt nichts mehr.
Ich muss vielleicht etwas ausholen. Es lässt sich nicht verheimlichen – ich bin ein alter Sack. Und als solcher erinnere ich mich zu meinem Leidwesen noch an TV Shows und Kinofilme früherer Zeiten. Um wieviel besser waren die Drehbücher geschrieben, wie akribisch hat man an den Inszenierungen gefeilt und wie sehr haben sich alle bemüht, einen fiktiven Charakter intakt zu lassen. Die heutigen Verantwortlichen sollten beschämt sein, wenn sie ihre schlampige Arbeit mit der Qualität von früher vergleichen. Fühlt sich an, als wenn der Opa gleich wieder vom Krieg erzählt? Mag sein, mir egal. War früher alles Gold und heute alles Müll? Natürlich nicht, aber abgesehen von überteuerten Bombast Serien für Streamingdienste ist doch in den letzten Jahren nicht wirklich viel auf den Markt geworfen worden, an was man sich noch in 20 Jahren erinnern wird. Die Abwesenheit wirklich ikonischer Umsetzungen ist schon bezeichnend. Da gab es zum Beispiel mal die Krimi-Serie „Miami Vice“, die Maßstäbe setzte. Die Älteren werden sich an die supercoolen Detectives Crocket und Tubbs erinnern, die vor stylisher Kulisse Fälle lösten. Die Serie begann mit zwei hervorragenden Staffeln. Das Niveau hielt bis zur Mitte von Staffel 3. Dann ging es steil bergab. Staffel 4 war grauenhaft. Dann kam Staffel 5 und die Serie fand einen melancholischen Abschluss. Weil sie aber ihre einstige Qualität wiedererlangt hat, waren die Fans auch wieder versöhnt. Die 4. Staffel von Miami Vice ist das, was Staffel 4 bei Killing Eve ist. Nur dass es eben keine rettende Staffel 5 gibt! Die Serie endet nach einer Staffel zum Abschalten auch noch mit dem denkbar schlechtesten Finale. Da kommen nur noch Game of Thrones und Luther ran. Die Fans werden hier genauso betrogen.

Wie kann man all das über Bord werfen, was in den vorherigen Episoden so gut funktioniert hat? Warum? Wie kann man seine eigenen Charaktere so mißverstehen bzw. nicht erkennen, was die Fans an ihnen lieben?

Bin ich zu alt für „modernes“ TV?

Ja, es kann generell so sein, dass ich nicht mehr die Zielgruppe für solche Formate bin. Dass solche Inhalte nicht für mich geschrieben werden, weil ich andere Ansprüche habe. Ich erwarte glaubwürdige Charaktere (sofern das bei Serienkillern oder Superhelden möglich ist), verständliche Motivationen und zugrundeliegende Konflikte, die die Handlung vorantreiben. Was gezeigt wird, muss zweckdienlich für die Story sein und einfach nur passieren, damit es eben passiert. Ich habe nichts gegen vielschichtige und komplexe Figuren, die sich im Lauf der Zeit entwickeln, aber diese Entwicklung sollte nachvollziehbar und logisch sein.
Wie ich in diesen Reaction-Videos auf Youtube feststellen durfte, schaut ein Großteil der Menschen dort solche Serien nur des Affektes wegen. Man hangelt sich beim binge-watching von einem Spot zum anderen. Das bedeutet, dass die Linearität und Kausalität der Ereignisse sowie die Art der Beziehungen einzelner Personen zueinander weniger wichtig sind als der Affekt einzelner Szenen. Es ist wie in einem modernen Action-Kracher, in welchem diese oder jene Action zu sehen ist und bejubelt wird, unabhängig davon, ob sie jetzt irgendetwas zur Story beiträgt, zur richtigen Zeit stattfindet und von der richtigen Person ausgeführt wird. Eigentlich reicht dem heutigen Publikum ein Best-Of Zusammenschnitt.

Alle Rollen sind bis in die Nebenrollen hinein hervorragend besetzt. Manche sind offensichtlich länger in der Show behalten worden als vielleicht vorgesehen war (Kenny, Konstantin … ), weil sie so gut funktionieren und dem Publikum ans Herz gewachsen sind.

Jodie Comer ist ein Glücksgriff. One in a million. Vielleicht hätte es adäquaten Ersatz gegeben, aber das ist nur Spekulation. Es ist ihre Show. Alles steht und fällt mir ihr. Sie stiehlt jede Szene, in der sie zu sehen ist.

Oh, oh … Sandra Oh

Und jetzt tut es mir leid für alle Greys Anatomy Fans: Ich brauche Sandra Oh hier nicht. Ich kann mit ihr nichts anfangen. Ist sie eine gute Schauspielerin und und sympathische Kollegin? Kann sein. Interessiert mich nicht. Wenn sie in anderen Formaten und Rollen überzeugen sollte, schön für sie. Soll sie woanders vorsprechen, aber bitte hier nicht. Es ist jetzt nicht so, dass sie fürchterlich schlecht spielt- aber ich nehme ihr das Ergebnis nicht ab. Sorry, kein bisschen. Sie hat gefühlt zwei Gesichtsausdrücke, mit denen sie sich durch 31 Folgen spielt (nein, in der Russland-Folge ist sie nicht einmal zu sehen). Vielleicht ist es mit asiatischen Gesichtern bei westlichen Sehgewohnheiten generell schwierig?! Ich sehe in denen nicht viel passieren. Diese gegenseitige Anziehung und die Chemie, die zwischen der Agentin und der Killerin herrschen soll – die ist in meinen Augen nicht existent. Sie ist nur Behauptung, weil es das Drehbuch so will. Wie so vieles in dieser Geschichte immer nur behauptet wird, aber nie durch Schauspiel oder Handlung belegt. Ich weiß nicht, ob es am Drehbuch oder an Sandra Ohs Interpretation oder an beidem liegt: Eve Polastri ist kein glaubwürdiger Charakter. Weder sympathiere ich mit ihr, noch ist ihre Wandlung nachzuvollziehen. Ich finde sie stattdessen in höchstem Maße nervig, anstrengend und manipulativ. Gleichzeitig ist ihr ein hohes Maß an Selbstüberschätzung zu eigen, dass häufig katastrophale Konsequenzen hat. Wie heißt es im Sprichwort? Arroganz muss man sich leisten können, but she can’t backup – wie man im Englischen sagen würde. Und heiß im Sinne von sexy? Bitte was? Natürlich sind die Geschmäcker verschieden, aber dass Villanelle ein wie auch immer geartetes sexuelles Interesse an ihr hat, was über einen romantischen Aspekt hinausgeht, ist schwer zu vermitteln. Ich habe öfter den Eindruck, eine alternative Version der Serie geschaut zu haben, als die ganzen Smarks da draußen.

Warum wird sich in so viel Nebengedöns verheddert?

So gut viele der hier eingesetzten Schauspieler auch sein mögen, die Produzenten tun sich schwer damit, diese Talente gezielt und ausgewogen einzusetzen. Adrian Scarborough als temporärer Handler und sozusagen „Abdecker“ war eine Ausnahme. Sehr dosiert eingesetzt und mit einem sich auszahlenden Pay-off. Allerdings fragt man sich, warum es dann so ein Kaliber wie Scarborough sein muss, wenn er dann doch nur mit einer Axt im Kopf endet – aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Bei den anderen Hochkarätern fragt man sich, warum man ihnen soviel Screentime gönnt, wenn es sich letzten Endes nicht auszahlt. Warum hatten wir eine ganze Staffel lang Harriet Walter da drin? Wozu war Camill Cottin dabei? Hat jemand ihre Beweggründe verstanden? Wenn sie denn so wichtig war, warum fühlte sich ihr Tod dann so unbedeutend an? An ihrem Aufbau über die Folgen hinweg, hätte ich mit einer epischen Schlacht zwischen ihr und Villanelle gerechnet. Und natürlich hätte ein kleiner Stuhl zum Einsatz kommen müssen (Insider). Warum halten wir uns so lange mit Gunn auf? Die Super-Killerin, die von Ich-bin-eine-zweimal-mehr-Super-Killerin Eve mit wenigen Handgriffen außer Gefecht gesetzt wird. Warum war der Mustache so lange noch ein Thema?
Fiona Shaw ist eine phantastische Schauspielerin, wir wissen das. Aber kann sie das nicht in anderen, separaten Formaten zeigen? Wann immer ich mehr vom verhinderten Liebespaar sehen will, setzt man uns Carolyn Martens und ihre kaputte Familie vor die Nase. Gemma Wheelan als Carolyns Tochter. Was für eine großartige Idee, wenn sich herausstellt, dass sie Teil der Verschwörung ist! Was für eine Enttäuschung, dass Yara Greyjoy nur die anstrengende Tochter spielen soll und urplötzlich in die Wüste geschickt wird. Und dabei fand ich sie nicht mal anstrengend. Sie war Carolyns Spiegel, der schonungslos offen gelegt hat, wie moralisch und mental kaputt die alternde Meisterspionin geworden ist.

Warum wird nur getriggert aber nie abgezogen?

Was mich ebenso nervt ist der fehlende Mut, all in zu gehen. Auf das Potential der Geschichte zu vertrauen und zwei Frauen auf eine Spur der Vernichtung zu schicken. Dazu die erste Staffel straffen oder zwei zusätzliche Folgen geben und das ungleiche Paar romantisch wie sexuell zusammenzubringen. Dann schauen, wohin die Reise geht.
Stattdessen wird geteasert und geteasert und geteasert, aber am Ende nicht geliefert. Alles ist nur falscher Alarm. Es ist wie mit dem Jungen, der immer Wölfe ruft. Frustrierend.

Am Ende von Staffel 1 hat man gedacht: geil, jetzt geht’s endlich los.
War nüschts.
Am Ende von Staffel 2 hat man gedacht: nu aber, der Wind steht richtig, der Kurs ist gesetzt -Leinen los.
Wieder nüscht.
Kurz vor Ende von Staffel 3 hat man gescherzt: das wird doch wieder nichts?!
Und: es wurde wieder nichts, wenn auch mit bitter-süßem Plottwist.

Als Villanelle und Eve dann kurz vor Ende der Serie doch noch zusammengebracht wurden – ja, wurden, denn organisch fühlte sich da nichts an – da war es mir bereits egal. Ich hatte mit der Idee abgeschlossen und wollte es auch nicht mehr, dass es noch passiert. Ich war zu der Überzeugung gelangt: dass Eve Villanelle gar nicht verdient. Ich drückte ihr die Daumen und meine im Stillen: Come on, Girl. Such Dir ein anderes heißes Chick und werde glücklich. Eve kann bei Yusuf bleiben oder sich einen neuen polnischen Schnurrbart suchen. Villanelles „I’m done with you“ aus der vorletzten Folge war der erste glaubhafte Moment in dieser Staffel und hat mir aus der Seele gesprochen. Und dann sieht man förmlich die Drehbuchautoren vor seinen Augen, wie sie uns von Folge zu Folge langweilen, sich ob der witzigen Ideen und Einfälle auf die Schenkel klopfen und dann aber entsetzt realisieren, dass es nur noch 2 Folgen bis zum Staffel- UND Serienfinale sind und man irgendwie zu einem Ende kommen muss. Dann müssen, Wunder oh Wunder, eine halbherzige Liebeserklärung, eine gemeinsame Nacht im Schlafsack und ein gemeinsames Freiluftpinkeln ausreichen, damit herzhaft geknutscht wird und sich alle Widersprüche in purer Liebe auflösen. Und wir Zuschauer sind verdammt dazu, das einfach zu schlucken, während man uns gleichzeitig sagt, für wie dumm man uns hält. Das ist schon frech und unverschämt.

Der Humor

Was mich zuerst erfreut, aber später ungemein gestört hat, ist die platte Comedy, die sich seit Staffel 2 in Killing Eve breitgemacht hat. Ich mag Filme und Serien, die nicht alles bierernst abhandeln sondern auch mal ein Augenzwinkern anbieten. In der ersten Staffel hat das auch ganz wunderbar funktioniert und auch in den späteren Folgen sind lustige Einfälle zu finden. Aber generell wirkt der hier eingesetzte Humor immer mehr erzwungen. Zu Beginn ergaben sich lustige Stellen durch absurde Konstellationen (ich sage nur Klobürste) oder witzige, pointierte Dialoge. Und natürlich durch den kindlichen Charakter Villanelles. Aber selbst die Geburtstagsfeier für Konstantin, die völlig drüber war, wird dann wieder aufgelöst, indem Villanelle ihn mit ihrem Wissen über seine Tochter bedroht.
Die Comedy ist spätestens ab Staffel 3 aber vor allem in der letzten Staffel nur deshalb da, weil es ab jetzt lustig sein muss. Die Witze finden um ihrer selbst Willen statt. Es gibt Slapstick, wo keiner hingehört (Geiselnahme mit Ver-Unfall-ung des Therapeuten Martin) oder Klamauk (Villanelle beim Mist-Weitwurf oder der Tod der Katze Luzifer) bis hin zum Knallchargentum (Händchenhalten und Hechelübungen wie bei einer Entbindung, während eine scheinbar lebensbedrohende Verletzung behandelt wird). Man kann diesen Szenen für sich durchaus den einen oder anderen Lacher abgewinnen, aber nach meinem Verständnis werden die handelnden Personen dadurch beschädigt und selbst zur Witzfigur. Wie soll ich so eine Nummer einordnen, wenn gleich im Anschluss wieder jemand brutal gefoltert/ermordet wird?
Ich weiß, gerade in Villanelles Falls soll der Klamauk ihren Charakter nahbarer machen. Aber durch ihre offensichtliche Transformation seit Staffel 3 und Hinterfragung ihres Tuns war sie mir eigentlich verständlich genug dargestellt worden. Ich hätte Villanelle-Jesus nicht gebraucht, auch wenn ich die Absicht des Autorenteams dahinter nachvollziehen kann. Und geliebt haben wir sie seit ihrem ersten Auftreten.
Es gibt diese erste Szene aus Staffel 4, in der Super-Agentin Eve Polastri nach einem Ethan Hunt mäßigen Auftritt bis zu Konstantin vordringt und ihm in die Hand schießt, während er ein Massagegerät auf dem Kopf trägt. Das ist so unfreiwillig komisch, weil es so völlig absurd und unglaubwürdig ist. Da hätte es nicht mal mehr die Badewannenszene mit Helene gebraucht, in der sich beide Frauen so unkomfortabel wie die Zuschauer an ihren Endgeräten fühlen. Die Macher haben mir damit auch nur bewiesen, dass sie die Serie letztlich nicht mehr ernst nehmen. Die scheint für sie nur noch Content zu sein, den man versenden muss. Es ist so schade, wenn neue Verantwortliche nicht mit der nötigen Sorgfalt und Respekt dem Material gegenüber umgehen, das ihnen anvertraut wurde. Auch schade, dass Jodie Comer zu diesem Zeitpunkt noch nicht der Star mit dem entsprechenden Standing war, um ihre Serienfigur zu schützen. Eine Natalie Dormer oder besser noch Ruth Wilson hätte manches Ansinnen der Drehbuchautoren einfach abgeblockt, obwohl ich mir seit dem Ende von Luther (Staffel 5) da auch nicht mehr ganz sicher bin. Aber vielleicht wollte sie einfach nur aussteigen, um jeden Preis.

Vergleiche

Wir brauchen nicht so zu tun, als hätte Killing Eve das Rad neu erfunden. Muss es ja auch nicht. Aber Vergleiche zu anderen Arbeiten drängen sich einfach auf und werden von mir angesprochen.

Für jede thematische Ebene in dieser Serie gibt es vergleichbare Vorlagen. Die junge Frau, die in die Killerrolle gezwungen wird – das hat Luc Besson 1990 bereits mit „Nikita“ auf die Kinoleinwand gebracht. Besser oder schlechter? Die Antwort ist abhängig von der Perspektive, aus der man das jeweilige Ergebnis betrachtet. Ein grundsätzlicher Unterschied besteht schon mal darin, dass Nikita keine Psychopathin ist. Bessons Werk fühlt es sich auch deutlich realistischer an als Killing Eve. Während Villanelle die Morde quasi im Spaziergang ausführt, geht bei Nikita auch mal was schief und sie muss improvisieren.
Anne Parillaud hat für ihre fesselnde Darstellung einer Killerin wider Willen leider nie die verdiente Anerkennung erhalten. Das mag auch an den ganzen Remake Filmen und Rip-off Serien liegen, die danach gekommen sind und in keiner Weise verstanden haben, worum es eigentlich geht bzw. nie die Qualität des Originals erreicht haben.

Restaurant-Szene aus „Nikita“ (1990) von Luc Besson
Jean Reno als The Cleaner macht keine Faxen

Bei den Geheimdienst-Serien ist meiner Ansicht nach „Spooks“ nicht zu schlagen. Ich konnte leider nicht die abschließende Konfrontation von Lucas North und Harry Pearce auf dem Dach finden, die im unsagbar traurigen Tod von Lucas endet, aber mögen diese Szenen für sich und die Serie im Allgemeinen sprechen:

Vor allem Barry aber auch Dexter sind Serien, die man in diesem Zusammenhang sicherlich nennen könnte.

Für eine Frauengeschichte mit Coming Out und dem ganzen Kram gibt es sicher auch zeitgenössische Beispiele.
Nimmt man aber alles zusammen und mixt es wild durcheinander, ist Killing Eve wahrscheinlich das Beste, was man kriegen kann.

Phoebe Waller Bridge

Bei der Beurteilung von Phoebe Waller Bridge herrscht in meinen Augen ein Mißverständnis vor. Vielleicht können wir das versuchen, auszuräumen bzw. ihre Rolle bei Killing Eve besser einordnen. Abseits der Glorifzierung.
Sie hat Killing Eve definitiv nicht „erfunden“, aber eben für eine Adaption der Romane fürs TV gesorgt. Credit where credit belongs. Wenn ihr aber diese Schöpfung so sehr am Herzen lag, weshalb hat sie ihr Baby dann nach der erste Staffel verlassen? Als Schauspieler hätte ich vor Beginn meines Engagements auf Kontinuität und Verlässlichkeit gepocht. Könnte es daran liegen, dass es nach diesem weder-Fisch-noch-Fleisch Staffelfinale unendlich schwieriger war, die Geschichte in der 2. Staffel fortzuschreiben?
PWB mag mit einer Begabung für das Schreiben pointierter Dialoge oder Szenen gesegnet zu sein. Mit vorhandenen Quellen arbeiten und diese für ein anderes Publikum umformen. Aber es ist eben nicht alles immer nur Fleabag. Wenn es darüber hinausgeht oder eine zusammenhängende Handlung verlangt wird, gerät sie ins Schlingern. Was im TV noch eine Stärker war, verkehrt sich in eine Schwäche. Was im kleinen Maßstab und bei genügend Episoden funktioniert, ist auf der großen Bühne und mit abgeschlossenem Handlungsbogen ungleich schwieriger. Han Solo: a Star Wars Story, James Bond – no time to die oder jetzt Indiana Jones 5 legen das brutal offen. Leider zieht niemand die nötigen Konsequenzen.
Deshalb weiß ich auch nicht, ob der Fortgang der Serie großartig anders verlaufen wäre, hätte sie bis zum Schluss alle Fäden in der Hand gehabt (wie das viele Kritiker behaupten). Vielleicht hätte es sich genau so zugetragen wie bei den anderen Verantwortlichen. Oder sogar schlimmer? Ihr Zaudern, bereits in Staffel 1 das Gaspedal durchzudrücken, lässt mich zweifeln, ob sie einen Plan für Staffel 2, 3 und 4 gehabt hätte.

Ein Ende mit Schrecken

Frage: Ist jemand traurig, das John Wick am Ende der Reihe stirbt?
Niemand hat per se etwas gegen ein tragisches Ende. Zwar ist die Filmwelt nicht unbedingt voll davon, weil Hollywood eher eine beruhigende und versöhnliche Botschaft vermitteln will, aber es gibt genügend Beispiele, wo auch ein tragisches Ende brillant und passend umgesetzt wurde.
Wo wäre dann das Problem, wenn beide im Endkampf gegen die 12 untergehen? Wozu wird die Show mit „Killing Eve“ benannt, wenn sie nicht mit Eves Tod endet? Ihre Entwicklung führte sie ohnehin in eine Sackgasse. Aber nein, dann hätten die kleinen, nerdigen Autoren ja keine Gelegenheit gehabt, ihren gemeinen Witz mit den Tarokarten unterzubringen. Denn wie es offensichtlich im Handbuch für Schreiberlinge geschrieben steht, muss Foreshadowing sein.
Und hätte nicht auch ein Happy End gepasst? Zwei Frauen, die sich endlich gefunden haben und nun unbeschwert ihr Leben leben. Bei dieser Möglichkeit muss doch eine Laolawelle durch die Lesbengemeinde gegangen sein?

Bin ich wirklich zu alt oder die Autoren einfach zu jung oder ignorant, dass sie Filme wie Thelma und Louise nicht kennen? Das ist nun 32 Jahre her und ich habe die finale Szene, den Dialog und den Song immer noch im Kopf. Ja, das Ende stimmt einen traurig aber auch versöhnlich.

Leon der Profi aus dem Jahre 1981 – nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Jean-Reno Film von 1994 – entstammt einer Zeit, in der das französische Action-Kino Maßstäbe setzte. Heute ist der Film längst in Vergessenheit geraten, nur an Morriconnes Chi Mai erinnert man sich noch. Wir, die Zuschauer und auch der Held der Geschichte selbst, spüren, dass es kein positives Ende geben wird. Über dem Film liegt eine traurige Grundstimmung, die uns immer mehr auf das Schicksal des Protagonisten einstimmt. Obwohl es kurz vorher einen kleinen Anflug von Hoffnung für Leon gibt, ist sein Ende unausweichlich. Ich habe selten so eine gut gedrehte Endszene gesehen. Der Score, der Schnitt und dazu die Handlung als Leon gelöst und entspannt seinen Weg zum rettenden Hubschrauber antritt, während parallel dazu die Verantwortlichen über sein Schicksal verhandeln (ich habe nur das französischsprachige Original gefunden, aber man muss nicht viel verstehen, um zu begreifen, was hier gesagt wird), als wäre es eine Haushaltsdebatte im Bundestag – das ist großes Tennis und verdeutlicht auf perfekte Weise, dass der Einzelne letzten Endes big machine nicht entkommen kann. Egal, ob es ein Machtapparat wie der französische Geheimdienst oder ein Verbrecherkartell wie die 12 sind. Das hätte ich mir für KE auch gewünscht.

Leon der Profi (1981) – gegen die „Maschine“ kommt man nicht an.

In den gezeigten Beispielen fühlt sich sich das Ende richtig an, während man bei Killing Eve hingegen einfach nur wütend und maßlos enttäuscht ist. Ein Tritt in die Magengrube. Dazu fühlt man sich betrogen. Wie kann man nur die Fans mit so einem Ende zurücklassen? Jetzt hoffen die Macher allen Ernstes, dass Killing Even Fans in die mögliche Spin-Off Serie über die absolut unwichtigen Abenteuer einer jungen Carolyn Martens einschalten? Wirklich?

Musikalische Schätze Teil 3: Carcass – Necroticism – Descanting the Insalubrious

Von allen weniger bekannten Bands, waren Carcass aus Liverpool eine der wichtigsten für die Entwicklung des Death Metal Ende der 1980er und frühen 1990er. Ich weiß, das werde ich noch bei vielen Bands auf diesem Blog sagen.

Neben Bands wie Napalm Death, Brutal Truth oder auch Terrorizer zählte die 1985 in Liverpool gegründete Band zu den Pionieren des Grindcore, aber ihr Werdegang sollte anders verlaufen. Ihr Beitrag zur Etablierung des Death Metal ist unbestritten und ist Anspieltipp für jeden Freund des gepflegten Tod-Metalles.

War Reek of Putrefaction noch ein reines Grindcore Album, hielten ab Simphonies of Sickness zusehends Death Metal Elemente Einzug. Mit ihrem 1992 veröffentlichten Longplayer Necroticism – Descanting the Insalubrious perfektionierten Carcass ihren Sound aus Melodic Death Metal mit Grindcore-Anleihen. Aufgrund seiner komplexen Gitarrenarbeit und anspruchsvollen Songstrukturen gilt dieses Album als Meilenstein in der Entwicklung des Death Metal.

Mein all time favourite von Carcass wird immer Necroticism – Descanting the Insalubrious sein.

Das Album zeigt Carcass auf dem Höhepunkt ihrer technischen Fähigkeiten und kreativen Vision. Es wird von der komplexen und abwechslungsreichen Gitarrenarbeit von Bill Steer und Michael Amott durchzogen. Man bekommt die Riffs nur so um die Ohren gehauen. Dazu Breaks, Tempowechsel, ab und an Rückfälle in den Grindcore. Man kann Elemente des Thrash Metal, Progressive Rock oder auch Jazz ausmachen. Die Texte behandeln weiterhin medizinische Themen wie Verfall, Zersetzung und Krankheit, sie sind aber tiefgründiger und poetischer als noch auf Simphony of Sickness oder sogar auf Reek of Putrefaction.
Auf diesem Album passiert mehr, als bei manchen Metalbands in ihrer gesamten Diskographie.

Das darauffolgende Heartwork gilt als ihr größter kommerzieller wie auch musikalischer Erfolg, markierte aber gleichzeitig den Niedergang der Band. Ich persönlich kann mit melodischem Death Metal nicht viel anfangen, obwohl sich auf dem hier vorgestellten Necroticism – Descanting the Insalubrious zahlreiche melodische Passagen befinden. Diese wirken aber eher groovy als krampfhaft herbeigeschrieben, wie das bei Heartwork der Fall ist.

Nach Heartwork folgte noch der Silberling Swanesong, welcher der Band aber kein Glück brachte. Aufgrund interner Spannungen lösten sich Carcass 1996 auf.

2007 starteten sie ein Comeback und veröffentlichten 2013 das Album „Surgical Steel„, das für seine Rückkehr zu den Wurzeln der Band gepriesen wurde, während es einige der melodischen Elemente, die sie auf „Heartwork“ erkundet hatten, integrierte.

Haben Carcass abgesehen von ihren Achtungserfolgen je den Underground verlassen? Ich glaube nicht wirklich, denn ihre Albumverkäufe lagen doch deutlich unter den damals bekannten großen Metalbands. Es gab einfach so viele gute Bands und wichtige Alben damals, dass die Leute heute nur die absoluten Top-Bands aus jedem Bereich kennen. Deshalb habe ich sie auch in diese Artikelserie mit aufgenommen. Nein, Carcass waren nie die ersten irgendwo. Sie haben keine Altars of Madness hervorgebracht und ich wage zu bezweifeln, dass eine ihrer Scheiben einen Platz unter den Top 5 auch nur irgendeiner Umfrage erreichen wird. Aber es lohnt sich dennoch, in ihrer Werk reinzuhören. Keines der Carcass-Alben ist richtig schlecht, aber jedes für sich sehr unterschiedlich. Die künstlerische Entwicklung der Band hat es mit sich gebracht, dass jeder Fan sein Lieblingsalbum (oder -alben) hat und andere Veröffentlichungen der Liverpooler geradezu ablehnt. Ich verstehe, dass die Grindcore-Schiene auf Dauer eine Sackgasse darstellte. Man kann nur unter Verwendung von Blast-Attacken und Screaming-Vocals keine große Abwechslung hervorbringen. Genauso birgt der melodische Death Metal die Gefahr, sich im seichten Mainstream zu verirren und die alten Fans gänzlich vor den Kopf zu stoßen.

Dieses Album inspirierte viele Bands und produzierte zahlreiche Carcass-Klone aber auch Musiker, die den Sound adaptierten oder weiterentwickelten.

Ukraine – ich muss das jetzt sagen

Die Ukrainer haben aufopferungsvoll gegen eine militärische Übermacht gekämpft. Weitaus mehr als man ihnen zugetraut hätte. Aber man muss auch akzeptieren, wenn der Kampf verloren ist. Daran ändern auch ein paar alte MiGs nichts mehr, die man per Verschiebebahnhof in das Kriegsgebiet bringen möchte. Das hätte alles früher passieren müssen, wenn man es denn gewollt hätte.
Putin kann sich nur selbst stoppen. Oder er wird durch eine Palastrevolte gestoppt. Das ist aber unwahrscheinlich, wenn man die Horde von gleichgeschalteten Apparatschicks in seinem Umfeld sieht. Auf die Oligarchen braucht man nichts geben. Sie walten nur von Putins Gnaden. Wird einer aufmüpfig, landet er im Lager oder stirbt unerwartet an einer Vergiftung. Und wenn einer dann nur noch 20 statt 40 Milliarden auf dem Konto hat, lässt es sich damit auch noch gut leben. Die russischen Mütter? Wo in 100 Jahren Sowjetregime mit Millionen Toten (ja, auch ohne Deutschland als Urheber) haben denn russische Mütter auch nur irgendwas bewirkt? Wenn es hart auf hart kam, haben diese Mütter schon immer ihre Söhne für die Verteidigung von Mütterchen Russland hergegeben. Nicht selten mit Stolz.
Wirtschaftliche Sanktionen? Wen sie wirklich treffen, sehen wir gerade. Und in Peking kommt man aus dem Lachen nicht heraus. Es ist auch kein Zufall, dass sich zum Beispiel Indien der Stimme enthalten hat. Abschieberitis von russischen (Putin-nahen) Künstlern und Beenden zweifelhafter Sponsorenverträge – irgendwo verständlich, aber auch nur ein symbolischer Akt und Ausdruck einer unausgesprochenen Ohnmacht.

Es wird Zeit zu realisieren, dass wir in Europa und speziell in Deutschland nicht mehr am längeren Hebel sitzen. Das ist eine schmerzhafte Erkenntnis, aber sie ist offenbar notwendig. Ich bin gespannt, was wir daraus machen werden und wohin das führt.

Ja die Ukraine ist verloren und ja, das hätte alles nicht sein müssen. Kein Zivilist welchen Geschlechts und welchen Alters sollte das durchmachen. Vor allem nicht im Jahr 2022 im ach so befriedeten Europa (ja, Europa reicht bis zum Ural). Aber es ist jetzt so und wir haben keine Antworten.
Wir können nicht einmal verhandeln, denn wir haben nichts, was Putin nicht ohnehin in den Schoss fällt oder für ihn überhaupt von Interesse ist. Von daher schön, dass er ab und zu mit Macron telefoniert, um seinen Spaß zu haben, aber etwas Zählbares kommt dabei nicht heraus.
Aber der Mehrheit hier ist nun mal das Hemd näher als die Hose. Die Solidarität mit der Ukraine fällt in dem Maße wie die Spritpreise steigen. Ein zerbombtes Europa? Nicht für Kiew.
Ja, kann sein, dass diese Konfrontation ohnehin kommen wird, aber dann hätten wir jetzt wenigstens die Zeit, um uns darauf vorzubereiten. Ich bezweifle aber, dass gutes Geld in Form von 100 Mrd Euro Sonderinvestition (wo man die wohl gefunden hat?) auf die Bundeswehr geworfen, eine zielführende Maßnahme ist – auch wenn ich immer für eine starke Armee plädiert habe. Die ganzen Berater noch aus der Zeit von Frau v.d. Leyen werden sich freuen. Neue sinnlos-Projekte und Waffensysteme, die in so einem Konflikt nichts taugen. Und überhaupt, kein Panzer und keine Rakete werden gegen den Klimawandel oder auch die Vorherrschaft Chinas etwas ausrichten.

Afghanistan – Wasted Years

Nach dem Fall von Kabul – oder sollte man sagen, „friedlichen Übergabe“ – dürfte nun auch dem letzten Träumer klargeworden sein: Ein großes Scheitern fand seinen vorläufigen Abschluss. Oder auch Höhepunkt, denn die Geschichte ist noch lange nicht vorbei.

Afghanistan ist ein failed state, obwohl es ein staatsmäßig organisiertes und vor allem funktionierendes „Afghanistan“ nach westlichen Vorstellungen nie gab. Letzten Endes ist es eine patriarchalische Stammesgesellschaft, selbst wenn die Gotteskrieger modernste Waffen tragen und mit mobile phones und tablets arbeiten.

Die Übernahme der Macht durch die Taliban kam mit Ansage, nur das Tempo war dann doch überraschend. Eine Bevölkerung von 38 Millionen Einwohnern, eine von der NATO ausgerüstete und ausgebildete Armee von 300.000 Mann (was nach neuesten Erkenntnissen auch nur eine weit übertriebene Zahl ist), zahlreiche Polizeikräfte usw. und dann kommt eine 80.000 Mann starke Fundamentalistentruppe und übernimmt handstreichartig den Staat. Zu glauben, dass so etwas ohne breiten Rückhalt in der Bevölkerung funktionieren kann, ist naiv und töricht. Viele Afghanen werden die Lügen, die Korruption und falschen Versprechungen einfach satt gehabt und sich den Kräften zugewandt haben, von denen der jüngere Anteil der Bevölkerung nur noch über das Hören-Sagen Kenntnis hat. Und wie verklärend das Hören-Sagen ist, wissen wir selbst nur zu gut.

Als Peter Scholl Latour noch lebte hielt er selten mit seiner Meinung zu Afghanistan hinterm Berg: „Solange wir Deutschen dort noch gut angesehen sind, große Truppenparade und dann raus da. Nation Building dort ist nicht unsere Aufgabe und ist auch zum Scheitern verurteilt.“ Das ist jetzt auch schon mehr als 10 Jahre her. Zehn Jahre andauernde Verschwendung wider besseren Wissens.
Ich möchte da nicht einmal über die Posse der „Rettungsaktion Evakuierung“ spotten, die erst am Montag starten konnte, weil … naja … Wochenende und so – es fügt sich einfach konsequent in das Gesamtbild ein, was wir dort hinterlassen haben. Es wird für Heiko Maas und Horst Seehofer Zeit zu gehen, auch wenn sie das große Scheitern am Hindukusch nur übernommen haben. Aber ihr Agieren ist höchst unglücklich und letztlich auch schäbig. Möglicherweise ist es jetzt auch einfach nur müßig, auf Politiker einzuschlagen, die ohnehin nach der Bundestagswahl arbeitslos sein werden.
Ach, wer jetzt glaubt, dass nun Tausende Helfer und Helfershelfer (die Begriffsschöpfung „Ortskräfte“ erfolgte ja sehr rasch) der Bundeswehr und anderer staatlicher Stellen nach Deutschland ausgeflogen werden: dafür wäre die letzten Wochen und Monate Zeit gewesen. Wenn man gewollt hätte. Aber hier drängt sich förmlich der Verdacht politischen Kalküls auf. Jetzt werden maximal deutsche Staatsangehörige und engste Mitarbeiter ausgeflogen. Selbst die müssen taktisch so schlau gehandelt haben, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt auf oder am Flughafen Kabul befinden. Wer nicht auf dem Rollfeld ist, wird nicht mehr ausgeflogen. Es sei denn, die Taliban – die nun Kabul kontrollieren – haben ein Interesse daran oder geben ihr okay. Wenn man sich durch die Meinungsäußerungen vornehmlich linker Politiker und Agitatoren arbeitet, zeichnet sich die Forderung nach der Aufnahme aller Afghanen ab, die durch die Taliban-Herrschaft bedroht sein werden oder könnten. Wie stellen sich die ganzen „Gutmenschen“ das überhaupt vor? Nach welchen Kriterien soll die Auswahl erfolgen? Die verschiedenen Bundesministerien geben ja selbst bei den Ortskräften zu, dass sie keine vollumfänglichen Informationen besitzen, wer mal alles für sie gearbeitet hat. Fahren dann Busse durch mittlerweile Feindesland (die Taliban haben den Abzug sämtlicher bewaffneter Soldaten fremder Nationen gefordert) und sammeln Leute ein, die dann zum Kabuler Flughafen gebracht werden?

Jemand auf Twitter stellte die ernstgemeinte Frage, wie man abgesehen von Demonstrationen, Tweets und offenen Briefen auf die Situation reagieren kann. Nun, ein Weg der selten beschritten wird aber deshalb nicht weniger hilfreich ist, wäre die Auseinandersetzung mit der eigenen Ohnmacht. Eine Akzeptanz dafür entwickeln, dass Dinge einfach schieflaufen, dass man verlieren kann. Einen Umgang für banale Dinge finden. So „banale“ Dinge wie Verlust und Niederlage. Und eigenes Fehlverhalten.
Denn jetzt beginnt man wieder in alte Muster und Strukturen zu verfallen. Sollten wir doch nochmal militärisch …? Alles ausfliegen? Drohende Appelle an die Koranschüler richten und sie dann boykottieren, bis wir eine Sprachregelung gefunden haben?
Nein, wenn Schluss ist, ist Schluss. Ein Verbleiben der Bundeswehr nach Abzug der Amerikaner wäre Selbstmord gewesen. Ich kann die Haltung der USA zu Afghanistan verstehen. Ein Staat, der nach einer Generation nur durch Truppenpräsenz am Leben gehalten werden kann, lohnt den Aufwand nicht. Ja, man hat ordentlich Geld und Material reingepumpt (was sich nun die neuen Machthaber unter den Nagel gerissen haben) und sicherlich hier und dort richtige Entwicklungen angestoßen. Oder zumindest solche, die man der eigenen Gesellschaft zur Rechtfertigung des eigenen Tuns vorweisen konnte. Aber am Hindukusch Mädchenschulen zu bauen und Frauen ein Studium zu ermöglichen (so ehrenvoll das sein mag) war nicht unsere Aufgabe. Demokratie, westliche Werte und Verankerung in der Weltgemeinschaft – das sind Dinge, die von Innen kommen müssen. Wenn sie denn überhaupt gewollt sind.

Und da kommen wir zu einem Punkt, über den man unbedingt Tacheles reden muss, bevor man sich in das nächste Abenteuer stürzt: Selbstbetrug und ein nicht klar definierter Auftrag. Selbstbetrug, weil wir regionale Warlords unterstützt und ein korruptes Regime in Kabul unterstützt haben und es nicht sehen wollten. Und als das Geld und die Unterstützung ausblieben, sind genau diese Leute mit wehenden Fahnen zu den Taliban übergelaufen. Dass die Unterstützung und vor allem Sympathie für die Taliban in Afghanistan viel größer ist, als hier behauptet – ist zwar öfter mal angeklungen, wird hier aber immer selbst jetzt noch umgedeutet oder verschwiegen. Dass im ganzen Land und darüber hinaus gejubelt wird? Passiert nicht, sagen die unentwegten Verteidiger der Mission Befriedung.

Der Selbstbetrug setzt sich fort, denn schon Clausewitz wusste: Nichts ist schwerer als der Rückzug aus einer unhaltbaren Position. Und das schließt geistige Postionen mit ein.

Die Wischi-Waschi Zielsetzung des Mandates hat Menschleben gekostet und viele Ressourcen. Vor 20 Jahren ging es einmal darum, Osama Bin Laden zu finden und lokale Al Kaida Strukturen zu zerstören. Das wäre ein klar formulierter und zeitlich begrenzter Auftrag gewesen. Nun hat man feststellen müssen, dass die Situation vor Ort reichlich komplex ist und noch andere Akteure beteiligt sind (Iran, Pakistan und neuerdings China). Aus einer militärischen Vergeltungsaktion wurde die Besetzung eines ganzen Landes und das vorhin erwähnte Nation Building. Beides muss man unter „versucht“ abbuchen, denn abgesehen von den Feldlagern und Festungen hat man keine Kontrolle ausgeübt und die afghanische Republik hatte ja eine außerordentlich kurze Halbwertszeit. Leider hat man sich in das dortige Klein-Klein (zynisch einmal als The Great Game bekannt) hineinziehen lassen. Warum nie wirklich darüber diskutiert wurde, dass über lange Zeit die Zielsetzung den Gegebenheiten vor Ort angepasst wurde, statt umgekehrt, weiß ich nicht. Der Selbstbetrug und das Desinteresse haben sich offensichtlich wie ein Nebel über weite Teile unserer Gesellschaft gelegt. Mandate wurden immer verlängert, Gelder bewilligt. Fehlentwicklungen? Wird schon, braucht einfach Zeit. Exit-Strategie wenn es ernst wird? Rückzug hat seit der Ostfront 1944 einen unangenehmen Beigeschmack. Bloß nicht weiter damit befassen.

Noch ein Punkt kommt hinzu: die Unterschätzung des Gegners und der Situation vor Ort. In der hiesigen Vorstellung sind Taliban oder Gotteskrieger zerzauste, unintelligente Gestalten, die irgendwo in den Bergen leben und nur mit einer Kalaschnikov bewaffnet sind. Diese Fehleinschätzung, zumeist deutscher und anderer westlicher Politiker bezahlen die Menschen zwischen Kundus und Kabul jetzt mit dem Leben. Jeder Kommandeur oder Soldat der westlichen Allianz weiß es inzwischen besser, aber die werden immer erst gehört, wenn es zu spät ist.

Werden wir uns weiter dem Selbstbetrug hingeben und die Hände vor Augen halten? Oder werden wir die Fakten akzeptieren und einen anderen Umgang mit Afghanistan entwickeln?
Russland, das seine Botschaft in Kabul weiterbetreibt und vor allem China machen es vor. Chinesische Delegierte trafen sich bereits mit den Taliban, als sich ihr Sieg abzeichnete und haben Gott weiß was für Verträge geschlossen und Abmachungen vereinbart. Afghanistan ist über ein paar sonnenverbrannte Steinwüsten und Felsen hinaus ein reiches Land. Kupfer, Lithium und Seltene Erden im Wert von Billionen Dollars warten darauf, in chinesischen Fabriken zu Mobiltelefonen und Autobatterien verarbeitet zu werden.
Auch hier wird man sich früher oder später mit den Steinzeit-Islamisten arrangieren. Ja, der Übergang wird nicht glimpflich verlaufen. Es werden Leute einfach verschwinden und andere öffentlichkeitswirksam bestraft. Die Sichtbarkeit von Frauen und Mädchen wird schlagartig auf Null gehen. Aber die Taliban und vor allem die Afghanen wissen genau, dass das Leben weitergehen wird. Alle werden sich anpassen, denn dass Millionen von Afghanen das Land verlassen und Aufnahme finden werden, ist höchst unwahrscheinlich und auch nicht realistisch.

Was das Scheitern in Afghanistan für die gesamte Region bedeutet, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Der Expansionsdrang der frömmlerischen Turbanträger wird nicht an den Grenzen haltmachen. Ich werde wohl nicht ganz falsch liegen, wenn ich als Erstes Pakistan unruhige Zeiten voraussage. Noch glaubt man in pakistanischen Geheimdienstkreisen, dass der Hund mit dem Schwanz wedelt und man die Taliban unter Kontrolle hat. Das haben die USA bei den Mudschaheddin in den 80ern auch einst geglaubt. Wir wissen heute, wohin das geführt hat, auch wenn die USA nicht selbst bedroht waren. Pakistan ist es durchaus.

Was uns Thüringen lehrt

Updates über Updates.
Mittlerweile müsste ich diesen Beitrag zu einem Liveblog machen, denn es ändert sich stündlich etwas.

Mittlerweile ist ausgehend von der Thüringer Ministerpräsidentenwahl diese Demokratieposse zu einer Zerreißprobe und Machtkampf innerhalb der CDU geworden. Die Gelegenheitsvorsitzende Annegret Kramp Karrenbauer hat heute am 10. Februar ihren Verzicht auf die Kanzlerkandidatur erklärt. Und weil es ein Unions-Dogma ist, dass Kanzlerschaft und CDU Vorsitz in einer Hand sein sollen, hat sie damit auch als CDU Vorsitzende abgedankt.

Herr Merz („zufällig“ aber ungemein rechtzeitig von seinem Arbeitgeber Blackrock freigestellt) würde sicher nicht nein sagen, wenn man es ihm anböte. Auch ein Herr Spahn hat da angeblich Ambitionen und Herr Laschet kann sicherlich in seiner Eigenschaft als amtierender Ministerpräsident als gesetzt gelten. Wer auch immer seinen Hut in den Ring wirft – Voraussetzung wird sein, dass Frau Merkel als Kanzlerin abtritt. Nach AKK wird nicht nochmal jemand freiwillig CDU Dompteur unter ihr sein. Das wird alles noch sehr aufregend.

Was vor allem aufregend, aber eher im ungemütlichen Sinne, werden wird: die CDU gibt zwar vor, eine Einheit auf konservativer Basis zu sein – defacto wird diese Partei von tiefen Gräben durchzogen. Und wir reden da nicht von den eher unbedeutenden, weil kleineren, Ost-Verbänden. Wir haben uns viel zu viel von den halbherzigen Bekenntnissen und Parteitagsbeschlüssen hinsichtlich der AfD einlullen lassen. Die Sympathien und Kooperationsgelüste mit der „Fliegenschiss-Partei“ Gaulands und Höckes sind bei der Union weitaus größer als man uns erzählen wollte. Ja, Frau Kramp-Karrenbauer ist auch zurückgetreten, weil sie nie sonderlich durch „Führungsstärke“ auffiel (wie immer man das auch definieren möchte), aber eben nur auch. Vielmehr ist es aber auch so, dass es selbst im Präsidium keine einhellige Überzeugung im Umgang mit der Konkurrenz auf der blaubraunen Seite gibt. Aus diesem Grund wird das durch AKK’s Rücktritt offengelegte Mißverhältnis zwischen Parteiführung und Basis in eine Zerreißprobe übergehen.

Und hier reichte es dann tatsächlich aus, dass sich ein kleiner Landesverband mit einem ehrgeizigen und von der Macht besessenen Vorsitzenden Mike Mohring nicht den Anweisungen aus Berlin beugte. Der Konflikt bei den Schwarzen schwelt ja bereits seit dem „Wir schaffen das“ Sommer 2015 und die Konsensdecke dahingehend war dünn, sehr dünn. Es lag auch nicht an den ostdeutschen Besonderheiten und oder der idiotischen nicht-mit-links-aber-auch-nicht-mit-rechts Vorgabe, an die sich Mohring letztlich nur zur Hälfte hielt. Die Zeit ist wohl einfach reif, dass die CDU erkennen muss, dass sie mit den Demokratieverächtern von der AfD inhaltlich mehr gemein hat, als ihr lieb sein kann. Und es muss wohl jetzt entschieden werden, ob aus dieser Erkenntnis Taten folgen.

Nach der Wahl von Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsideten (mit den Stimmen der AfD) gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten der Interpretation:

  • Es ist alles ein großer bedauerlicher Zufall und oder Irrtum
  • oder es ist alles geplant und abgesprochen gewesen. Bis in höchste Stellen der jeweiligen Bundespartei.

Trifft Punkt 1 zu, ist das nur als Ausdruck strunzdoofer Naivität zu werten. Trifft Punkt 2 zu, ist das einfach nur ein Beleg für die moralische Verkommenheit in Teilen des Politikbetriebes. Erst kommt die Macht, dann die Moral. Erst Geltungsanspruch und Machtspielchen, dann Gehirnbeanspruchung. Könnte man den Leuten nicht einfach kiloweise Viagra oder eine allwöchentliche Talkshow spendieren, damit deren Triebe anderweitig befriedigt werden und so etwas nicht passiert? Käme auf die Dauer doch günstiger.

Auch bei den möglichen Auswegen aus dieser Krise stehen wir bei der Zahl 2:

  • Der Landtag löst sich auf und es werden Neuwahlen angesetzt. Mit den entsprechenden Ergebnissen …
  • CDU und FDP vollziehen endlich den längst fälligen Schritt und kooperieren mit der AfD, bevor man das Wort „Brandmauer“ noch mehr beschädigt.

CDU, FDP und AfD haben schon klargestellt, dass es mit ihnen keine Neuwahlen geben wird. Damit ist der gewählte Ministerpräsident nicht regierungsfähig, da es für FDP, CDU, SPD und Grüne zusammen nicht reicht. SPD und Grüne haben bereits geäußert, dass sie als Stimmenbeschaffer eines Ministerpräsidenten von Höckes Gnaden nicht zu haben sind. Somit bliebe nur noch das Schielen auf die Stimmen der AfD.
Würde es Neuwahlen geben (ob nun mit oder ohne das aktuelle Spitzenpersonal), würden sich die Machtverhältnisse fundamental verschieben. Die FDP würde mit Sicherheit pulverisiert werden und nicht mehr dem Landtag angehören, die AfD zur stärksten Kraft werden. Das alles wäre auch eine Konsequenz dieser unseligen Wahl vom 5. Februar und hätte so nicht passieren dürfen.

Was mich erstaunlicherweise aber nicht mehr überrascht: Die Verlogenheit und Scheinheiligkeit, mit der dieser Vorgang heruntergespielt und kommentiert wird. Lindner laviert und druckst, Kubicki ist seit längerem nicht mehr auf diesem Planeten anwesend und AKK ist ein jämmerliches Häufchen Machtlosigkeit. Herr Ramelow hat sich gewaltig verzockt und steht nun vor einem Scherbenhaufen, was einmal seine Karriere war. Die CDU Thüringen hat ihrer ganz speziellen Ansicht nach sowieso alles richtig gemacht und sieht angedrohten Parteiausschlüssen aus der Bundesparteizentrale lachend entgegen. So einen schwachen Vorsitzenden wie Mike Mohring hat man bei dieser Partei lange nicht erlebt. Da hat jemand das Wahlergebnis aus der Landtagswahl 2019 nicht verkraftet. Erst lässt er sich in Berlin hinsichtlich seiner dunkelrot-schwarzen Koalitionsphantasien wieder auf Linie bringen, dann von den blaubraunen Kollegen am Nasenring durch die Manege ziehen, nu um vielleicht noch irgendeinen Ministerposten zu bekleiden. Es hat immer alles diesen Beigeschmack von „eins auswischen“. Wohlgemerkt, diese Kritik ist nur dann gültig, wenn das nicht alles mit den Parteifreunden in Berlin abgestimmt war.

Es gibt jetzt die Möglichkeit, dass man Thüringen zum Versuchslabor erklärt. Schwarz-Blau-Gelb ist eh weniger auseinander, als die Damen und Herren immer behaupten. Falls das für jemanden ein Geschmäckle hat, könnte man auf die verschwindend geringe Größe und Bedeutung Thüringens verweisen und sagen, dass das nicht repräsentativ für die Bundesrepublik wäre und die wählende Bevölkerung zu über 20% ohnehin keine Berührungsängste zur Höcke-Partei hätte.

Wie aber ein Vorsitzender einer Splitterpartei, die um 73 absolute Stimmen fast nicht ins Parlament gekommen wäre, von der „Erfüllung des Wählerwillens“ faselt – ist mir unter Ausklammerung von Alkohol und Drogen unverständlich. Aber für Christian Hirte beispielsweise, dem Ostbeauftragten (!) der Bundesregierung, liegt ja auch die „Mitte“ bei 5 %. Da schämt man sich dann aber doch fast ein wenig.

Eine kleine Notiz an Heidi Klum

Liebe Heidi Klum,

 

vor ein paar Jahren noch habe ich Deine Show „Germanys next Topmodel“ sogar per Blog begleitet.

Schon damals war die Sendung so durchsichtig wie unterhaltsam. Das hat sich bis heute nicht geändert. Gut, Du hast Dich von Deinen letzten Stichwortgebern (euphemistisch „Jury“ genannt) und dem Maybelline-Boris getrennt – aber im Großen und Ganzen bist Du dem Konzept treu geblieben. Einen Menschenzoo vorführen und nebenbei ein „Topmodel“ suchen, nach dem keiner gefragt hat. Es ist nicht so, dass die Branche auf das Resultat Deiner jährlichen Suche dringend angewiesen ist. Die Agentur Deines Vaters schon eher.

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Zum Schluß kriegt Game of Thrones den Moralischen

Leider leider, Vieler Menschen beliebteste Fernsehserie „Game of Thrones“ neigt sich dem Ende entgegen, was man an vielen schwachen und lustlosen Folgen von Staffel 7 sehen kann.

Ja, bei den special Effects und Bildsequenzen hat man noch ein Schüppchen draufgepackt, aber darunter haben die zwischenmenschlichen Konflikte und die Entwicklungen der einzelnen Charaktere gelitten.

Es kommt einem so vor, dass die Macher nun auf einmal feststellen, dass sie nur noch zwei stark verkürzte Staffeln zur Verfügung haben, um ihre Geschichte auszuerzählen. Also wird alles auf Krampf und mit der Brechstange in den Haupterzählstrang genagelt.

Da wir nur noch 6 Folgen vom ultimativen Ende der Saga entfernt sind, richten die Macher den moralischen Kompass neu aus. Einerseits ist das ja schön anzusehen, weil es meistens bedeutet, dass unsere liebgewonnenen Serienhelden ihre Rache erhalten. Sansa Stark durfte zum Abschluß der 6. Staffel ihren Peiniger (und Nervbolzen) Ramsay Bolton von Hunden zerfleischen lassen (nicht sehr Lady-like), Arya Stark meuchelt die gesamte Sippe um Walder Frey ab und gemeinsam setzen sie (Achtung Spoiler) Littlefingers Leben ein Ende.

Gerade bei Littlefinger Petyr Baelish ist das schon recht zwiespältig. Schließlich ist er der Auslöser des gesamten Game of Thrones und seit der ersten Staffel dabei und zweitens blieb er in seinem intriganten Engagement auf Winterfell weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Wir erinnern uns: im Komplott mit Olenna Tyrell ermordete er sogar einen König. Und nun kriegt er es nicht mal gebacken, zwei Schwestern gegeneinander auszuspielen. So einen auch aus Storylinegründen verschenkten Abgang hat der Meister der Intrige nicht verdient, auch wenn wir diesem Arsch sein Dahinscheiden mit ganzem Herzen gewünscht haben. Aiden Gillen hat ihn mit großer Kunst als Ekelpaket dargestellt, wenn auch immer over the top.

Theon Greyjoy ereilt die späte Reue und bricht fast vor John Snow (Achtung Spoiler: ich meine Aegon Targaryen) zusammen. Später startet er wagemutig wie nie zuvor zu einem Himmelfahrtskommando, um seine Schwester Yara zu retten. Was ist nur aus dem schwanzlosen Theon geworden, der zwischen unterwürfigem Sklaven und größenwahnsinnigem Egomanen wechselte?

Und so weiter, und so weiter – die handelnden Charaktere und Figuren mussten moralisch festgetackert werden, weil man mit Entsetzen zusammenrechnete, dass nur noch 6 Episoden verbleiben, um die eigentliche Handlung in die Gänge zu kriegen: den Großen Krieg gegen den Night King und seine Zombiearmee, der es nach 6 Staffeln nun geschafft hat, die Große Eismauer zu überwinden. Ja sorry, nochmal Spoiler. Aber während es Danaerys schafft, auf einem Drachen innerhalb eines Tages von Dragonstone nach Eastwatch zu fliegen, braucht diese Horde von Untoten Jahre, um in die Nähe des Great Walls zu gelangen.

Nur Cersei darf weiterhin so verschlagen und strippenziehend bleiben, wie wir sie kennen. Nein, nicht lieben. Dazu bietet mir persönlich der Charakter zu wenig an. Da ist nur der Wille zu herrschen, um des Herrschens Willen.

Aber immerhin darf ihr ihr Bruder-Liebhaber Jaime Lannister eine Art „Entwicklung“ durchmachen. Am Ende bringt er sogar genug Einsicht und Energie auf, um sich von seiner bösen Schwester-Liebhaberin (und Mutter seines ungeborenen Kindes) zu lösen. Das ist dann auch die für mich stärkste Szene des Staffelendes. Der ehemalige (?) Lannister-Armee-Oberbefehlshaber, wie er im ersten Schneefall über Kings Landing (wahrscheinlich seit Jahrhunderten) nach Norden reitet.

Ich sollte mehr von Richard David Precht lesen

Nein, ernsthaft. Ich glaube, ich lese oder höre noch zu selten etwas von Richard David Precht.

Ich finde die Denkanstöße zum Beispiel bei den 2 neuen Pandas, die Berliner Zoo und Tierpark geschenkt bekommen, gut und nachdenkenswert. Nicht immer gleich Fundamentalposition beziehen, sondern auch ein paar Meilen in den Schuhen des anderen laufen.

http://www.dw.com/de/richard-david-precht-wir-tun-der-natur-keinen-gefallen/a-39281944

Der Schmied Pfitzenmeier

Vor ein paar Wochen fuhr ich mit D. während eines heftigen Schneefalls im Auto mit und nach dem Parken lief vor uns eine alte Frau von der Sorte „unkaputtbar“. Ihr kennt diesen Typus sicher. Kopftuch, Rock, Strumpfhose und Schuhe, die eher an Pantoletten erinnern. Zuhause tragen diese Geschosse nur Kittelschürzen aus Dederon (sagt man das heute noch so?).

D. meinte nur: „Die werden auch immer weniger, diese Sorte stirbt langsam aus.

Ja.

Das ist diese Generation, die bei 20 Grad Minus oder 30 Grad Plus mit einer Strumpfhose auskommt. Die mit ihren bloßen Händen frisch gekochte Kartoffeln halten und pellen können.

Ich bin ja vernarrt in so alte Zeugnisse (Bilddokumente), wie über den Schmied Pfitzenmeier. Den habe ich genommen, weil es die früheste Folge aus der Reihe „Der Letzte seines Standes“ ist, die ich kenne (1988). Ich hätte auch ganz andere Videos raussuchen können wie z.B. über den Sägemeister vom Gampenpass, Johann Piazzi, der noch mit über 90 Jahren seine Sägemühle beschickt hat. Über den leider schon verstorbenen Fredi Habermann, den urwüchsigen Schmied aus Böhmen oder auch den alten Holzrücker aus Südtirol. Es spielt keine Rolle, die Grundaussage ist immer dieselbe. Da gibt es Leute, die haben von ihren – sagen wir mal – 90 Lebensjahren 75 mit Arbeit verbracht. Jeden Tag. Am Sonntag ging es vielleicht mal in die Kirche oder in die Gaststube beim Wirt. Ansonsten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang malochen.

Und dabei Dinge herstellen, erschaffen. Mit den eigenen Händen. Wenn man sich diese schlussendlich betrachtet, sieht man, wie sich dort ein ganzes Leben eingegraben hat. Handwerk eben. Die wussten noch um Fertigkeiten und Fähigkeiten, um Gegenstände des täglichen Bedarfs in ihren Werkstätten zu fertigen. Gut, auch zu ihrer Zeit waren bereits viele Arbeitsschritte anteilig ausgelagert. Aber weitaus mehr als heute wurde noch in Eigenregie erledigt.

Ich kann sowas nicht. Ich erschaffe nichts mit meinen Händen. Ich bewundere höchstens diese Leute, die sowas noch konnten. Von mir werden Pixel zurechtgeschoben für Leute, die ich größtenteils nicht kenne und auch nie kennenlernen werde. Die Arbeit und ihr Wert, der Verrichter dieser Arbeit und der Auftraggeber sind in höchstem Maße voneinander abgekoppelt. Die einzige Beziehung in der sie noch stehen drückt sich durch die Finanztransaktion zwischen den Geldkonten aus. Früher gab es da viel mehr Tauschgeschäfte.
Meine Arbeit ist flüchtig. Die Webseite kann morgen ganz anders aussehen oder auch schon wieder gelöscht sein. Ob sie jetzt wirklich jemandem dabei hilft, seine Grundbedürfnisse zu befriedigen, kann ich nicht mal sagen.