Ich will es gleich vorweg nehmen. So sehr ich mich auch bemühte, es ist dann doch ein veritabler Rant geworden. Inklusive wilden Gedankensprüngen, Abschweifungen und weit hergeholten Vergleichen. Das lag nicht unbedingt in meiner Absicht, aber nun akzeptiere ich es.
Ich habe mir letztens das DVD Set von Killing Eve gekauft. Ja, ich habe bereits im Vorfeld alle Folgen im TV gesehen und auch die Diskussionen dazu verfolgt. Und dennoch habe ich gutes Geld dafür ausgegeben.
Für diejenigen, die nicht wissen, worum es geht: Die zwischen 2018 – 2022 produzierte Serie ist im Geheimdienstmillieu angesiedelt. Die Hauptfiguren sind zwei Frauen auf unterschiedlichen Seiten des Gesetzes. Auf der einen Seite haben wir Eve Polastri, Mitarbeiterin beim MI5 (später MI6) und auf der anderen Seite Villanelle, Auftragsmörderin einer Verbrecherorganisation. Eve und Villanelle könnten unterschiedlicher nicht sein. Eve ist eine Art Mauerblümchen. Unausgelastet in ihrem Job, verheiratet mit einem Lehrer und einer merkwürdigen Obsession für Killer. Villanelle ist eine psychopathische Mörderin. Der Job beschert ihr ein passables Einkommen verbunden mit einem extravaganten Lebensstil und Dienstreisen zu den schönsten Locations in Europa. Ausgelöst durch die Morde entwickelt sich zwischen den beiden Frauen ein Katz- und Mausspiel, aus dem sich eine recht seltsame Beziehung entwickelt.
Killing Eve ist hervorragend gemachte Fernsehunterhaltung. Wir bekommen einen spannenden Plot, gute Schauspieler, jede Menge Morde und auch humorvolle Szenen. Eigentlich alles im grünen Bereich.
Aber
Aber …………..
Das wird jetzt schwer für uns alle, glauben sie mir.
Ich bin nämlich enttäuscht und angepisst. Killing Eve ist leider nicht so gut, wie sie sein könnte. Sein müsste. Angst vor der eigenen Courage, Autoren die ihre Figuren nicht ansatzweise verstanden haben und letztlich auch die Bevormundung der Fans führen dazu, dass man am Schluss mit dem Arsch das einreißt, was man vorher mühevoll mit den Händen aufgebaut hat.
Staffeln 1 bis 4
Wir können das anhand der einzelnen Staffeln ausdrücken: Staffel 1 ist hervorragend. Sie ist nicht perfekt, aber hier befindet sich die Serie auf ihrem erzählerischen Höhepunkt. Die Hauptcharaktere werden gut eingeführt und die Story konsequent vorangetrieben.
Staffel 2 ist für sich genommen auch noch gut, fällt aber aufgrund ihrer Mutlosigkeit schon etwas gegenüber ihrer Vorgängerin ab.
Staffel 3 ist dann so eine Wundertüte. Man bekommt noch immer tolle Momente oder auch Episoden serviert, aber es sind auch deutliche Abnutzungsspuren erkennbar. So als ob die Autoren angewiesen wurden, Zeit zu schinden und nur irgendwas zu produzieren, damit die Serie noch nicht endet. Es wirkt, als wüsste man nicht, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln soll. Würde die ganze Serie mit dieser Staffel enden – ich könnte damit leben (auch wenn es nicht das wäre, was sich alle erwartet hätten). Zumindest waren bis dahin die Charaktere intakt.
Und dann diese 4. Staffel. Oh my God. Was soll ich dazu sagen? So ähnlich muss es sich angefühlt haben, als J.J. Abrams mit seinem Star Wars Film „Rise of Skywalker“ dem Vorgänger „The Last Jedi“ von Ryan Johnson den Stinkefinger zeigt. Anders kann ich es mir nicht erklären. So brutal hier die Vorgeschichte ignoriert wird, glaube ich den Gerüchten, dass es gibt noch eine „verlorene“ Staffel dazwischen gibt. Die ist irgendwie im Multiverse verlorengegangen und konnte deshalb nie gesendet werden. Hier stimmt nichts mehr.
Ich muss vielleicht etwas ausholen. Es lässt sich nicht verheimlichen – ich bin ein alter Sack. Und als solcher erinnere ich mich zu meinem Leidwesen noch an TV Shows und Kinofilme früherer Zeiten. Um wieviel besser waren die Drehbücher geschrieben, wie akribisch hat man an den Inszenierungen gefeilt und wie sehr haben sich alle bemüht, einen fiktiven Charakter intakt zu lassen. Die heutigen Verantwortlichen sollten beschämt sein, wenn sie ihre schlampige Arbeit mit der Qualität von früher vergleichen. Fühlt sich an, als wenn der Opa gleich wieder vom Krieg erzählt? Mag sein, mir egal. War früher alles Gold und heute alles Müll? Natürlich nicht, aber abgesehen von überteuerten Bombast Serien für Streamingdienste ist doch in den letzten Jahren nicht wirklich viel auf den Markt geworfen worden, an was man sich noch in 20 Jahren erinnern wird. Die Abwesenheit wirklich ikonischer Umsetzungen ist schon bezeichnend. Da gab es zum Beispiel mal die Krimi-Serie „Miami Vice“, die Maßstäbe setzte. Die Älteren werden sich an die supercoolen Detectives Crocket und Tubbs erinnern, die vor stylisher Kulisse Fälle lösten. Die Serie begann mit zwei hervorragenden Staffeln. Das Niveau hielt bis zur Mitte von Staffel 3. Dann ging es steil bergab. Staffel 4 war grauenhaft. Dann kam Staffel 5 und die Serie fand einen melancholischen Abschluss. Weil sie aber ihre einstige Qualität wiedererlangt hat, waren die Fans auch wieder versöhnt. Die 4. Staffel von Miami Vice ist das, was Staffel 4 bei Killing Eve ist. Nur dass es eben keine rettende Staffel 5 gibt! Die Serie endet nach einer Staffel zum Abschalten auch noch mit dem denkbar schlechtesten Finale. Da kommen nur noch Game of Thrones und Luther ran. Die Fans werden hier genauso betrogen.
Wie kann man all das über Bord werfen, was in den vorherigen Episoden so gut funktioniert hat? Warum? Wie kann man seine eigenen Charaktere so mißverstehen bzw. nicht erkennen, was die Fans an ihnen lieben?
Bin ich zu alt für „modernes“ TV?
Ja, es kann generell so sein, dass ich nicht mehr die Zielgruppe für solche Formate bin. Dass solche Inhalte nicht für mich geschrieben werden, weil ich andere Ansprüche habe. Ich erwarte glaubwürdige Charaktere (sofern das bei Serienkillern oder Superhelden möglich ist), verständliche Motivationen und zugrundeliegende Konflikte, die die Handlung vorantreiben. Was gezeigt wird, muss zweckdienlich für die Story sein und einfach nur passieren, damit es eben passiert. Ich habe nichts gegen vielschichtige und komplexe Figuren, die sich im Lauf der Zeit entwickeln, aber diese Entwicklung sollte nachvollziehbar und logisch sein.
Wie ich in diesen Reaction-Videos auf Youtube feststellen durfte, schaut ein Großteil der Menschen dort solche Serien nur des Affektes wegen. Man hangelt sich beim binge-watching von einem Spot zum anderen. Das bedeutet, dass die Linearität und Kausalität der Ereignisse sowie die Art der Beziehungen einzelner Personen zueinander weniger wichtig sind als der Affekt einzelner Szenen. Es ist wie in einem modernen Action-Kracher, in welchem diese oder jene Action zu sehen ist und bejubelt wird, unabhängig davon, ob sie jetzt irgendetwas zur Story beiträgt, zur richtigen Zeit stattfindet und von der richtigen Person ausgeführt wird. Eigentlich reicht dem heutigen Publikum ein Best-Of Zusammenschnitt.
Alle Rollen sind bis in die Nebenrollen hinein hervorragend besetzt. Manche sind offensichtlich länger in der Show behalten worden als vielleicht vorgesehen war (Kenny, Konstantin … ), weil sie so gut funktionieren und dem Publikum ans Herz gewachsen sind.
Jodie Comer ist ein Glücksgriff. One in a million. Vielleicht hätte es adäquaten Ersatz gegeben, aber das ist nur Spekulation. Es ist ihre Show. Alles steht und fällt mir ihr. Sie stiehlt jede Szene, in der sie zu sehen ist.
Oh, oh … Sandra Oh
Und jetzt tut es mir leid für alle Greys Anatomy Fans: Ich brauche Sandra Oh hier nicht. Ich kann mit ihr nichts anfangen. Ist sie eine gute Schauspielerin und und sympathische Kollegin? Kann sein. Interessiert mich nicht. Wenn sie in anderen Formaten und Rollen überzeugen sollte, schön für sie. Soll sie woanders vorsprechen, aber bitte hier nicht. Es ist jetzt nicht so, dass sie fürchterlich schlecht spielt- aber ich nehme ihr das Ergebnis nicht ab. Sorry, kein bisschen. Sie hat gefühlt zwei Gesichtsausdrücke, mit denen sie sich durch 31 Folgen spielt (nein, in der Russland-Folge ist sie nicht einmal zu sehen). Vielleicht ist es mit asiatischen Gesichtern bei westlichen Sehgewohnheiten generell schwierig?! Ich sehe in denen nicht viel passieren. Diese gegenseitige Anziehung und die Chemie, die zwischen der Agentin und der Killerin herrschen soll – die ist in meinen Augen nicht existent. Sie ist nur Behauptung, weil es das Drehbuch so will. Wie so vieles in dieser Geschichte immer nur behauptet wird, aber nie durch Schauspiel oder Handlung belegt. Ich weiß nicht, ob es am Drehbuch oder an Sandra Ohs Interpretation oder an beidem liegt: Eve Polastri ist kein glaubwürdiger Charakter. Weder sympathiere ich mit ihr, noch ist ihre Wandlung nachzuvollziehen. Ich finde sie stattdessen in höchstem Maße nervig, anstrengend und manipulativ. Gleichzeitig ist ihr ein hohes Maß an Selbstüberschätzung zu eigen, dass häufig katastrophale Konsequenzen hat. Wie heißt es im Sprichwort? Arroganz muss man sich leisten können, but she can’t backup – wie man im Englischen sagen würde. Und heiß im Sinne von sexy? Bitte was? Natürlich sind die Geschmäcker verschieden, aber dass Villanelle ein wie auch immer geartetes sexuelles Interesse an ihr hat, was über einen romantischen Aspekt hinausgeht, ist schwer zu vermitteln. Ich habe öfter den Eindruck, eine alternative Version der Serie geschaut zu haben, als die ganzen Smarks da draußen.
Warum wird sich in so viel Nebengedöns verheddert?
So gut viele der hier eingesetzten Schauspieler auch sein mögen, die Produzenten tun sich schwer damit, diese Talente gezielt und ausgewogen einzusetzen. Adrian Scarborough als temporärer Handler und sozusagen „Abdecker“ war eine Ausnahme. Sehr dosiert eingesetzt und mit einem sich auszahlenden Pay-off. Allerdings fragt man sich, warum es dann so ein Kaliber wie Scarborough sein muss, wenn er dann doch nur mit einer Axt im Kopf endet – aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Bei den anderen Hochkarätern fragt man sich, warum man ihnen soviel Screentime gönnt, wenn es sich letzten Endes nicht auszahlt. Warum hatten wir eine ganze Staffel lang Harriet Walter da drin? Wozu war Camill Cottin dabei? Hat jemand ihre Beweggründe verstanden? Wenn sie denn so wichtig war, warum fühlte sich ihr Tod dann so unbedeutend an? An ihrem Aufbau über die Folgen hinweg, hätte ich mit einer epischen Schlacht zwischen ihr und Villanelle gerechnet. Und natürlich hätte ein kleiner Stuhl zum Einsatz kommen müssen (Insider). Warum halten wir uns so lange mit Gunn auf? Die Super-Killerin, die von Ich-bin-eine-zweimal-mehr-Super-Killerin Eve mit wenigen Handgriffen außer Gefecht gesetzt wird. Warum war der Mustache so lange noch ein Thema?
Fiona Shaw ist eine phantastische Schauspielerin, wir wissen das. Aber kann sie das nicht in anderen, separaten Formaten zeigen? Wann immer ich mehr vom verhinderten Liebespaar sehen will, setzt man uns Carolyn Martens und ihre kaputte Familie vor die Nase. Gemma Wheelan als Carolyns Tochter. Was für eine großartige Idee, wenn sich herausstellt, dass sie Teil der Verschwörung ist! Was für eine Enttäuschung, dass Yara Greyjoy nur die anstrengende Tochter spielen soll und urplötzlich in die Wüste geschickt wird. Und dabei fand ich sie nicht mal anstrengend. Sie war Carolyns Spiegel, der schonungslos offen gelegt hat, wie moralisch und mental kaputt die alternde Meisterspionin geworden ist.
Warum wird nur getriggert aber nie abgezogen?
Was mich ebenso nervt ist der fehlende Mut, all in zu gehen. Auf das Potential der Geschichte zu vertrauen und zwei Frauen auf eine Spur der Vernichtung zu schicken. Dazu die erste Staffel straffen oder zwei zusätzliche Folgen geben und das ungleiche Paar romantisch wie sexuell zusammenzubringen. Dann schauen, wohin die Reise geht.
Stattdessen wird geteasert und geteasert und geteasert, aber am Ende nicht geliefert. Alles ist nur falscher Alarm. Es ist wie mit dem Jungen, der immer Wölfe ruft. Frustrierend.
Am Ende von Staffel 1 hat man gedacht: geil, jetzt geht’s endlich los.
War nüschts.
Am Ende von Staffel 2 hat man gedacht: nu aber, der Wind steht richtig, der Kurs ist gesetzt -Leinen los.
Wieder nüscht.
Kurz vor Ende von Staffel 3 hat man gescherzt: das wird doch wieder nichts?!
Und: es wurde wieder nichts, wenn auch mit bitter-süßem Plottwist.
Als Villanelle und Eve dann kurz vor Ende der Serie doch noch zusammengebracht wurden – ja, wurden, denn organisch fühlte sich da nichts an – da war es mir bereits egal. Ich hatte mit der Idee abgeschlossen und wollte es auch nicht mehr, dass es noch passiert. Ich war zu der Überzeugung gelangt: dass Eve Villanelle gar nicht verdient. Ich drückte ihr die Daumen und meine im Stillen: Come on, Girl. Such Dir ein anderes heißes Chick und werde glücklich. Eve kann bei Yusuf bleiben oder sich einen neuen polnischen Schnurrbart suchen. Villanelles „I’m done with you“ aus der vorletzten Folge war der erste glaubhafte Moment in dieser Staffel und hat mir aus der Seele gesprochen. Und dann sieht man förmlich die Drehbuchautoren vor seinen Augen, wie sie uns von Folge zu Folge langweilen, sich ob der witzigen Ideen und Einfälle auf die Schenkel klopfen und dann aber entsetzt realisieren, dass es nur noch 2 Folgen bis zum Staffel- UND Serienfinale sind und man irgendwie zu einem Ende kommen muss. Dann müssen, Wunder oh Wunder, eine halbherzige Liebeserklärung, eine gemeinsame Nacht im Schlafsack und ein gemeinsames Freiluftpinkeln ausreichen, damit herzhaft geknutscht wird und sich alle Widersprüche in purer Liebe auflösen. Und wir Zuschauer sind verdammt dazu, das einfach zu schlucken, während man uns gleichzeitig sagt, für wie dumm man uns hält. Das ist schon frech und unverschämt.
Der Humor
Was mich zuerst erfreut, aber später ungemein gestört hat, ist die platte Comedy, die sich seit Staffel 2 in Killing Eve breitgemacht hat. Ich mag Filme und Serien, die nicht alles bierernst abhandeln sondern auch mal ein Augenzwinkern anbieten. In der ersten Staffel hat das auch ganz wunderbar funktioniert und auch in den späteren Folgen sind lustige Einfälle zu finden. Aber generell wirkt der hier eingesetzte Humor immer mehr erzwungen. Zu Beginn ergaben sich lustige Stellen durch absurde Konstellationen (ich sage nur Klobürste) oder witzige, pointierte Dialoge. Und natürlich durch den kindlichen Charakter Villanelles. Aber selbst die Geburtstagsfeier für Konstantin, die völlig drüber war, wird dann wieder aufgelöst, indem Villanelle ihn mit ihrem Wissen über seine Tochter bedroht.
Die Comedy ist spätestens ab Staffel 3 aber vor allem in der letzten Staffel nur deshalb da, weil es ab jetzt lustig sein muss. Die Witze finden um ihrer selbst Willen statt. Es gibt Slapstick, wo keiner hingehört (Geiselnahme mit Ver-Unfall-ung des Therapeuten Martin) oder Klamauk (Villanelle beim Mist-Weitwurf oder der Tod der Katze Luzifer) bis hin zum Knallchargentum (Händchenhalten und Hechelübungen wie bei einer Entbindung, während eine scheinbar lebensbedrohende Verletzung behandelt wird). Man kann diesen Szenen für sich durchaus den einen oder anderen Lacher abgewinnen, aber nach meinem Verständnis werden die handelnden Personen dadurch beschädigt und selbst zur Witzfigur. Wie soll ich so eine Nummer einordnen, wenn gleich im Anschluss wieder jemand brutal gefoltert/ermordet wird?
Ich weiß, gerade in Villanelles Falls soll der Klamauk ihren Charakter nahbarer machen. Aber durch ihre offensichtliche Transformation seit Staffel 3 und Hinterfragung ihres Tuns war sie mir eigentlich verständlich genug dargestellt worden. Ich hätte Villanelle-Jesus nicht gebraucht, auch wenn ich die Absicht des Autorenteams dahinter nachvollziehen kann. Und geliebt haben wir sie seit ihrem ersten Auftreten.
Es gibt diese erste Szene aus Staffel 4, in der Super-Agentin Eve Polastri nach einem Ethan Hunt mäßigen Auftritt bis zu Konstantin vordringt und ihm in die Hand schießt, während er ein Massagegerät auf dem Kopf trägt. Das ist so unfreiwillig komisch, weil es so völlig absurd und unglaubwürdig ist. Da hätte es nicht mal mehr die Badewannenszene mit Helene gebraucht, in der sich beide Frauen so unkomfortabel wie die Zuschauer an ihren Endgeräten fühlen. Die Macher haben mir damit auch nur bewiesen, dass sie die Serie letztlich nicht mehr ernst nehmen. Die scheint für sie nur noch Content zu sein, den man versenden muss. Es ist so schade, wenn neue Verantwortliche nicht mit der nötigen Sorgfalt und Respekt dem Material gegenüber umgehen, das ihnen anvertraut wurde. Auch schade, dass Jodie Comer zu diesem Zeitpunkt noch nicht der Star mit dem entsprechenden Standing war, um ihre Serienfigur zu schützen. Eine Natalie Dormer oder besser noch Ruth Wilson hätte manches Ansinnen der Drehbuchautoren einfach abgeblockt, obwohl ich mir seit dem Ende von Luther (Staffel 5) da auch nicht mehr ganz sicher bin. Aber vielleicht wollte sie einfach nur aussteigen, um jeden Preis.
Vergleiche
Wir brauchen nicht so zu tun, als hätte Killing Eve das Rad neu erfunden. Muss es ja auch nicht. Aber Vergleiche zu anderen Arbeiten drängen sich einfach auf und werden von mir angesprochen.
Für jede thematische Ebene in dieser Serie gibt es vergleichbare Vorlagen. Die junge Frau, die in die Killerrolle gezwungen wird – das hat Luc Besson 1990 bereits mit „Nikita“ auf die Kinoleinwand gebracht. Besser oder schlechter? Die Antwort ist abhängig von der Perspektive, aus der man das jeweilige Ergebnis betrachtet. Ein grundsätzlicher Unterschied besteht schon mal darin, dass Nikita keine Psychopathin ist. Bessons Werk fühlt es sich auch deutlich realistischer an als Killing Eve. Während Villanelle die Morde quasi im Spaziergang ausführt, geht bei Nikita auch mal was schief und sie muss improvisieren.
Anne Parillaud hat für ihre fesselnde Darstellung einer Killerin wider Willen leider nie die verdiente Anerkennung erhalten. Das mag auch an den ganzen Remake Filmen und Rip-off Serien liegen, die danach gekommen sind und in keiner Weise verstanden haben, worum es eigentlich geht bzw. nie die Qualität des Originals erreicht haben.
Bei den Geheimdienst-Serien ist meiner Ansicht nach „Spooks“ nicht zu schlagen. Ich konnte leider nicht die abschließende Konfrontation von Lucas North und Harry Pearce auf dem Dach finden, die im unsagbar traurigen Tod von Lucas endet, aber mögen diese Szenen für sich und die Serie im Allgemeinen sprechen:
Vor allem Barry aber auch Dexter sind Serien, die man in diesem Zusammenhang sicherlich nennen könnte.
Für eine Frauengeschichte mit Coming Out und dem ganzen Kram gibt es sicher auch zeitgenössische Beispiele.
Nimmt man aber alles zusammen und mixt es wild durcheinander, ist Killing Eve wahrscheinlich das Beste, was man kriegen kann.
Phoebe Waller Bridge
Bei der Beurteilung von Phoebe Waller Bridge herrscht in meinen Augen ein Mißverständnis vor. Vielleicht können wir das versuchen, auszuräumen bzw. ihre Rolle bei Killing Eve besser einordnen. Abseits der Glorifzierung.
Sie hat Killing Eve definitiv nicht „erfunden“, aber eben für eine Adaption der Romane fürs TV gesorgt. Credit where credit belongs. Wenn ihr aber diese Schöpfung so sehr am Herzen lag, weshalb hat sie ihr Baby dann nach der erste Staffel verlassen? Als Schauspieler hätte ich vor Beginn meines Engagements auf Kontinuität und Verlässlichkeit gepocht. Könnte es daran liegen, dass es nach diesem weder-Fisch-noch-Fleisch Staffelfinale unendlich schwieriger war, die Geschichte in der 2. Staffel fortzuschreiben?
PWB mag mit einer Begabung für das Schreiben pointierter Dialoge oder Szenen gesegnet zu sein. Mit vorhandenen Quellen arbeiten und diese für ein anderes Publikum umformen. Aber es ist eben nicht alles immer nur Fleabag. Wenn es darüber hinausgeht oder eine zusammenhängende Handlung verlangt wird, gerät sie ins Schlingern. Was im TV noch eine Stärker war, verkehrt sich in eine Schwäche. Was im kleinen Maßstab und bei genügend Episoden funktioniert, ist auf der großen Bühne und mit abgeschlossenem Handlungsbogen ungleich schwieriger. Han Solo: a Star Wars Story, James Bond – no time to die oder jetzt Indiana Jones 5 legen das brutal offen. Leider zieht niemand die nötigen Konsequenzen.
Deshalb weiß ich auch nicht, ob der Fortgang der Serie großartig anders verlaufen wäre, hätte sie bis zum Schluss alle Fäden in der Hand gehabt (wie das viele Kritiker behaupten). Vielleicht hätte es sich genau so zugetragen wie bei den anderen Verantwortlichen. Oder sogar schlimmer? Ihr Zaudern, bereits in Staffel 1 das Gaspedal durchzudrücken, lässt mich zweifeln, ob sie einen Plan für Staffel 2, 3 und 4 gehabt hätte.
Ein Ende mit Schrecken
Frage: Ist jemand traurig, das John Wick am Ende der Reihe stirbt?
Niemand hat per se etwas gegen ein tragisches Ende. Zwar ist die Filmwelt nicht unbedingt voll davon, weil Hollywood eher eine beruhigende und versöhnliche Botschaft vermitteln will, aber es gibt genügend Beispiele, wo auch ein tragisches Ende brillant und passend umgesetzt wurde.
Wo wäre dann das Problem, wenn beide im Endkampf gegen die 12 untergehen? Wozu wird die Show mit „Killing Eve“ benannt, wenn sie nicht mit Eves Tod endet? Ihre Entwicklung führte sie ohnehin in eine Sackgasse. Aber nein, dann hätten die kleinen, nerdigen Autoren ja keine Gelegenheit gehabt, ihren gemeinen Witz mit den Tarokarten unterzubringen. Denn wie es offensichtlich im Handbuch für Schreiberlinge geschrieben steht, muss Foreshadowing sein.
Und hätte nicht auch ein Happy End gepasst? Zwei Frauen, die sich endlich gefunden haben und nun unbeschwert ihr Leben leben. Bei dieser Möglichkeit muss doch eine Laolawelle durch die Lesbengemeinde gegangen sein?
Bin ich wirklich zu alt oder die Autoren einfach zu jung oder ignorant, dass sie Filme wie Thelma und Louise nicht kennen? Das ist nun 32 Jahre her und ich habe die finale Szene, den Dialog und den Song immer noch im Kopf. Ja, das Ende stimmt einen traurig aber auch versöhnlich.
Leon der Profi aus dem Jahre 1981 – nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Jean-Reno Film von 1994 – entstammt einer Zeit, in der das französische Action-Kino Maßstäbe setzte. Heute ist der Film längst in Vergessenheit geraten, nur an Morriconnes Chi Mai erinnert man sich noch. Wir, die Zuschauer und auch der Held der Geschichte selbst, spüren, dass es kein positives Ende geben wird. Über dem Film liegt eine traurige Grundstimmung, die uns immer mehr auf das Schicksal des Protagonisten einstimmt. Obwohl es kurz vorher einen kleinen Anflug von Hoffnung für Leon gibt, ist sein Ende unausweichlich. Ich habe selten so eine gut gedrehte Endszene gesehen. Der Score, der Schnitt und dazu die Handlung als Leon gelöst und entspannt seinen Weg zum rettenden Hubschrauber antritt, während parallel dazu die Verantwortlichen über sein Schicksal verhandeln (ich habe nur das französischsprachige Original gefunden, aber man muss nicht viel verstehen, um zu begreifen, was hier gesagt wird), als wäre es eine Haushaltsdebatte im Bundestag – das ist großes Tennis und verdeutlicht auf perfekte Weise, dass der Einzelne letzten Endes big machine nicht entkommen kann. Egal, ob es ein Machtapparat wie der französische Geheimdienst oder ein Verbrecherkartell wie die 12 sind. Das hätte ich mir für KE auch gewünscht.
In den gezeigten Beispielen fühlt sich sich das Ende richtig an, während man bei Killing Eve hingegen einfach nur wütend und maßlos enttäuscht ist. Ein Tritt in die Magengrube. Dazu fühlt man sich betrogen. Wie kann man nur die Fans mit so einem Ende zurücklassen? Jetzt hoffen die Macher allen Ernstes, dass Killing Even Fans in die mögliche Spin-Off Serie über die absolut unwichtigen Abenteuer einer jungen Carolyn Martens einschalten? Wirklich?