Musikalische Schätze: Thor

And the people called Manowar cheesy …

Der allmächtige Thor in Gestalt von Jon Mikl Thor und seinen Mannen wird für immer einen Platz in meinem Herzen haben. Diese kanadische Band sticht heraus und erfährt erst in den letzten Jahren die Anerkennung, die sie meines Erachtens nach seit langem verdient. Aber dafür gibt es ja auch diese Beitragsserie. Um Bands oder Alben zu besprechen, die vom Mainstream nicht genug gewürdigt werden.

Wenn wir von nicht ganz ernstzunehmendem True Metal der 80er Jahre sprechen, kommt man an der Band Thor nicht vorbei. Es handelt sich hierbei auch eher um eine Konzept-Band (wie später GWAR), ein Hobby-Vehikel des Bandgründers Jon Mikl Thors. JMT war ein Bodybuilder, der sich nach einer sehr erfolgreichen Karriere entschloss, Rockstar zu werden. Meiner Meinung nach ein absolut nachvollziehbares und legitimes Lebensziel. Und welches Bühnengimmick wählt man sich als Bodybuilder? Natürlich die Figur der nordischen Mythologie schlechthin: Thor, der Gott des Donners. Stilecht stand JMT dann auch auf der Bühne: blonde Wuschelmähne, nackter muskulöser Oberkörper, Lederteile mit Nieten und oft einen Hammer oder ein Schwert schwingend. Um das Strongman Image zu unterstützen, wurden bei Auftritten auf Eisenstangen mit den Zähnen verbogen oder Betonteile auf dem Bauch zerkloppt. Mein Gott, was hat man damals bei Konzerten alles geboten bekommen.

In annähernd dasselbe Genre fallen weitere, ja förmlich unzählige Bands aus dieser Zeit. Die wichtigsten und deutlich bekannteren Konkurrenten sind natürlich Manowar. Auch musikalisch waren die auf einem anderen Level unterwegs, selbst wenn sich Thor nicht zu verstecken brauchen und vor Manowar aktiv waren und das Konzept der archaischen Nordmänner ein paar Jahre eher auf die Bühne brachten. Und um ganz ehrlich zu sein: mit Manowar kann ich eher wenig anfangen, auch wenn sie hin und wieder ganz gute Arbeit abgeliefert haben. Aber diese Selbstüberschätzung und -beweihräucherung geht mir gehörig auf den Sack.
Erfinder des Viking- oder Pagan-Metal waren Thor dann aber auch nicht. Vielleicht nur das optisch beeindruckender Aushängeschild. Hier stehen für mich eindeutig Heavy Load in erster Reihe. Der zeitliche Vorsprung mag knapp sein, aber er ist nun mal da. Außerdem kam die Band aus Schweden (Heimvorteil) und übertrieb es im Gimmick nicht so sehr wie Thor. Jon Mikl Thor wurde aufgrund seines Bodybuilder-Backgrounds und des Image nie so richtig ernst genommen.

Zur Illustration des Vergleichs hier ein Heavy Load Song ihres Albums „Metal Conquest“ aus dem Jahre 1979:

Musikalisch und textlich befinden wir uns bei Heavy Load von Beginn an in dem, was später Viking Metal genannt werden soll.

Die ersten Thor Veröffentlichungen in den späten 70ern fielen noch in die Zeit des Proto-Metal, waren also eher rockig mit Glam-Rock Einsprengseln. Hier zwei Beispiele:

Diso-Thor …

Erinnert mich immer ein bisschen an Bands wie Sweet (no offense here).

Später wurde die Musik schon härter und bewegte sich immer mehr in Richtung Power- bzw. True Metal,wofür Thor bis heute bekannt sind und geliebt werden.

Aber bei den Göttern Wallhallas, was für großartige Videos haben Thor später gemacht! Kompromisslos billig und albern. Einfach nur witzig.

Auskopplung von „Unchained“ (?) 1983
Thor: Lightning Strikes von „Unchained“ 1983.
Thor: Knock em down von „only the strong“ 1985.

Ja, die Stimme und die Vocals. Natürlich sind wir hier nicht auf dem Niveau eines Bruce Dickinson oder Rob Halford. Aber mit den Jahren hat JMT dazugelernt und sich verbessert. Keine Passagen mehr gesungen, die nicht seiner Stimme und seinem Können entsprachen. Und ich habe definitiv Schlechteres gehört.
Auch die Produktion der Thor Alben bewegt sich nicht auf Premium-Niveau, aber wie auch für JMT Stimme gilt: habe schon Schlechteres aber dafür mehr Gehyptes gehört. Die Gitarrenarbeit ist gut bis sehr gut. Viele sägende Monsterriffs, auf denen der Sänger seine Stories transportiert. Drums und Bass solide. Dazu überzeugende Soli auf der Gitarre.

Man muss es sagen: Thor machen einfach Spaß (wenn man sie nicht zu ernst nimmt). Die Musik lässt sich gut hören und man denkt an keiner Stelle: Oh Gott, wie schlecht war das jetzt?

Thors Fall in die vergessene Zone wurde dadurch vorangetrieben, dass in den 1980ern eine Konkurrenz in ihrer Kategorie erwuchs, die oftmals einiges besser machte. Es ist aber nicht immer die bessere Qualität, die sich durchsetzt – in diesem Fall war es einfach die schiere Masse an Nachahmungstätern, die auf den Zug aufgesprungen sind. Spätestens ab Mitte der 1980er Jahre entwickelte sich auch der Heavy Metal weiter. Leder blieb zwar weiterhin in Mode, aber Felle nicht. Conan der Barbar, Texte über nordische Götter und Power Metal an sich waren nicht mehr so nachgefragt. Neue Musikstile, professionelle Videos und teurere Produktionen verdrängten Bands der ersten Stunde. Nur folgerichtig, dass sich Thor 1987 auflösten, um dann 10 Jahre später im Zuge der großen Retro- und Revival-Welle wieder zusammenfanden. Seitdem machen sie so weiter, als wäre es immer noch 1983. Der nackte Oberkörper ist aus ästhetischen und Altersgründen einer Phantasierüstung gewichen. Ich anerkenne es, wenn jemand seinen Stiefel durchzieht und seiner Sache treu bleibt – aber schon damals war diese Art von Heavy Metal mehr eine Kuriosität und nicht auf Langlebigkeit ausgelegt (gut, der Erfolg von Bands wie Sabaton scheint mich Lügen zu strafen), aber heute kann ich mich schwer damit anfreunden, dass Thor immer noch dieselbe Art von Musik (mit leichten Anpassungen) machen wie vor 35-40 Jahren und dazu dasselbe Image pflegen. Es fühlt sich an, wie ein Ripp-Off.

Meine Anspieltipps sind Alben wie Only the Strong (1985), Recruits, Wild In The Streets (1986) und die EP Unchained (1983) aus ihrer erfolgreichsten Phase. Aber auch ihr Debüt Keep the Dogs away (1977) hat seinen ganz eigenen Reiz und ist für Freunde des Glam-Rock eine musikalische Perle.

Es gibt auch eine Doku namens I am Thor aus dem Jahre 2015, die ich aber noch nicht gesehen habe. Wahrscheinlich wird daraus noch besser ersichtlich, worin die Faszination für die Band Thor bestand und bis heute besteht.

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