Die Neue Zeit – schon vorbei

Ein Artikel über den Abriss des Gebäudekomplexes „Neue Zeit“ in Schwedt. Inklusive einiger Bilder zum Abriss selbst.

Ja, so schnell gehört die „Neue Zeit“ zum alten Eisen.
Gut, der findige Leser hat es gleich erkannt: bei der „Neuen Zeit“ handelte es sich eher um ein Gebäude, als um eine diffuse Zeitepoche aus der jüngeren DDR Geschichte.

Neue Zeit - Schwedt / 1
Neue Zeit – Schwedt / 1

Das Gebäude, das stolz diesen zukunftsträchtigen Namen trug, war ein typischer Mehrzweckbau des Arbeiter- und Bauernstaates (Nachtrag: Wie mir Dirk Sill vom Stadtportal Schwedt mitteilte, handelt es sich hierbei um ein Mehrzweckgebäude, das in den 1930ern von der Wehrmacht genutzt wurde. Inwieweit es auch in dieser Zeit errichtet wurde oder doch nur einer Umnutzung unterlag, kann ich nicht beurteilen. Ich versuche, dies noch zu eruieren). Das Gebäude beherbergte unter anderem eine Gaststätte sowie Veranstaltungsräume und bildete lange Zeit (!) den kulturellen Mittelpunkt des gleichnamigen Stadtteils in Schwedt, bevor auch hier der Abrissbagger tätig wurde.

Neue Zeit - Schwedt / 2
Neue Zeit – Schwedt / 2

Der Abriss der „Neuen Zeit“ ist umso bemerkenswerter, als dass er in einem Stadtgebiet geschah, das man allgemeinhin als bestandssicher erachtete. Sicher im Bezug auf eine geschlossene Wohnstruktur, die noch nicht mit dem Phänomen des Leerzugs zu kämpfen hatte, wie es symptomatisch für die Plattenbauten im ehemaligen Wohnkomplex VII war.

Neue Zeit - Schwedt / 2
Neue Zeit – Schwedt / 3

Der nördliche Stadtrand des alten Schwedt war vor allem durch wuchtige Kasernenbauten des Dragonerregiments geprägt, welches bis kurz vor dem 2. Weltkrieg in Schwedt stationiert war.
Die im Zuge der Stadterweiterung der ersten großen Bauphase nach dem Krieg (Ende 1950er) wurden hier in lockerer Bauweise fünfgeschossige Plattenbauten errichtet. Alles relativ großzügig bebaut und durch kleine Grünflächen aufgelockert.

Neue Zeit - Schwedt / 4
Neue Zeit – Schwedt / 4

Zudem schlossen sich im Norden ein kleiner Stadtpark (Park Heinrichslust) mit Ausflugsgaststätte (Alte Mücke), ein Fußball“stadion“ (1. FC Schwedt) und eine Gartensparte an. Der Aufallstrasse (heute Berliner Strasse) folgend, gelangte man zur Papierfabrik und dem dazugehörigen Freibad. Alles in allem oft frequentierte Anlaufpunkte, die nicht nur bei den Bewohnern der angrenzenden Wohngebiete beliebt waren.

Neue Zeit - Schwedt / 5
Neue Zeit – Schwedt / 5

Irgendwer muß dann aber entschieden haben, daß die Neue Zeit nicht mehr in dieselbige hineinpasst. Vielleicht waren auch die Kosten einer Sanierung zu hoch ?! Wer kann das heute noch sagen. Mit einem Abriß werden schneller Fakten geschaffen, als Gutachten geschrieben werden können.
Nur einen Steinwurf entfernt wurde eine neue Mehrzweck-Sporthalle errichtet, die in wieder den Namen „Neue Zeit“ trägt.

Nichtsdestotrotz muß man sich auch in den ehemals als sicher geltenden Stadtteilen mit dem Leerzugsphänomen auseinandersetzen. Gleich gegenüber, auf der anderen Strassenseite, sind unlängst die Flächen des alten Kraftverkehrs (eine Fuhrpark-ähnliche Einrichtung) von den letzten Gebäuden befreit und einer Umnutzung für den Eigenheimneubau zugänglich gemacht worden. Seelenlose Neubauten (da darf man gern streiten) weichen seelenlosen Eigenheimen aus der Retorte.

Neue Zeit - Schwedt / 6
Neue Zeit – Schwedt / 6

Dass der alte Kraftverkehr keinen wirklichen Nutzen mehr bietet, war einzusehen. Der Abriss also folgerichtig. Es ist jetzt aber nur eine Frage der Zeit, bis auch für die umgebenden Wohnbebauung keine Bestandssicherung mehr garantiert werden kann. Die ersten Neubaublöcke (Gatower Strasse) in Sichtweite der alten (!) „Neuen Zeit“ stehen bereits zur Disposition (also Abriss).

Die Photos vom Abriss der „Neuen Zeit“ wurden mir freundlicherweise von Herrn Lothar Vogel zur Verfügung gestellt. Für die folgenden Artikel, die sich mit dem Rückbau der klassischen Neubauviertel beschäftigen, werde ich auf weitere Photos aus dieser Quelle zurückgreifen.

2 Gedanken zu „Die Neue Zeit – schon vorbei“

  1. Ich bin in Schwedt/O. aufgewachsen (1978-1994) und seit einiger Zeit auf der Suche im Internet nach Fotos von meinen Lieblingsplätzen in der Kindheit. Ich finde es sehr traurig das ich meinen Kindern nichts zeigen kann, weil es “ mein Schwedt“ nicht mehr gibt. In „der neuen Zeit“ habe ich das erste Mal am C64 gesessen, meine Schule (Kniebusch), das Waldbad..alles ist weg. Nichts wurde erhalten, die Geschichte meiner Generation wurde entfernt. Das ist schade, denn ich fand es schön im alten Schwerdt/O. !

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