Rückkehren ist schwerer als man denkt

Um Silvester, als wir die Jahreswende im großartigen Gutshof Andres in Pettstadt/Kirchlauter verbracht haben, traf ich morgens beim Frühstück auf Dirk und Ulrich aus Berlin. Also derzeit in Berlin lebend. Wie bei vielen Wahlberlinern ist die originale Herkunft ja mehr oder weniger „exotisch“ und die größten Geistesriesen waren Zugezogene. Das ist eben die große Kraft Berlins, z.B. auch Schwaben und Nordlichtern irgendwie zu integrieren und wenn schon nicht integrieren, dann eben eine friedliche Co-Existenz zu bieten.
Dirk und Ulrich kamen jetzt weder aus dem hohen Norden noch Schwaben, konnten aber jeder für sich eine ähnlich schöne Herkunft vorweisen. Und da alle anderen Silvestergäste schon am Neujahrstag abgereist waren, störte es nicht, dass sich im Pavillon zum Frühstück ein recht unterhaltsames Gespräch entwickelte.
Natürlich kommen auch die Themen, wie Heimat und Herkunft zur Sprache und was man vermisst oder endlich froh ist, hinter sich gelassen zu haben. Es ist ja immer von der Einstellung eines jeden Menschen abhängig, inwieweit er mit seiner Heimat verwurzelt ist, ja ob es einen „Heimatbegriff“ in seinem Denken gibt und wie der belegt ist. Jedenfalls waren beide fürbaß erstaunt, als ich meinen ausgeprägten Hang zur Rückkehr in die alte Heimat klipp und klar darlegte. Ja, könne man denn überhaupt „zurückkehren“? Also nicht räumlich, sondern in eine bestimmte Lebensphase? Würde nicht alles ganz anders sein, als zu dem Zeitpunkt als man fortging? Niemand steigt zweimal in denselben Fluß hieß es bei den griechischen Philosophen. Da ist leider viel mehr dran, als man wahrhaben möchte. Wer einmal gegangen ist, ist gegangen. Eine Rückkehr ist in dem Sinne möglich, dass man „wieder da ist“ – aber es wird nur eine Rückkehr an den Ort sein. Man kann versuchen, alles wieder so einzurichten, wie es war, bevor man ging – aber es ist nicht mehr dasselbe. In den Gedanken ist man immer noch weg und das alte Gefühl stellt sich nicht mehr ein.
In der Schlußszene von Rambo 4 sieht man John Rambo, wie er nach x Jahren auf den Kriegsschauplätzen der Welt der Farm seiner Eltern entgegengeht. Ich habe mich da schon gefragt: wie soll das denn gehen?

Ich habe große Befürchtungen, dass das alles genau so kommen wird, wenn ich dann mal „rückkehre“; obwohl ich jetzt noch gar nicht weiß, wie und wann das sein wird.
Schon während meines ersten Exils galt ich dort als „Landei“ und bei Besuchen in der Provinz als der „Städter“. Man gehört nicht mehr zu den Einen und wird auch nicht zu den Anderen zählen, egal wie man sich verrenkt und die Marotten der Ureinwohner annimmt oder kopiert. Wer nicht in diese Bredouille geraten möchte, sollte sich den Weggang ganz genau überlegen.
Ich habe dann auch an mir bemerkt, dass ich einen Schuldkomplex entwickelte. Je öfter in den Nachrichten oder Zeitungen oder im Internet die desolate Lage und Zukunftschance der alten Heimat thematisiert wurde, desto stärker wurde das schlechte Gefühl, an diesem Zustand einen gewissen Anteil zu tragen, teilschuldig zu sein. Aber manchmal geht es einfach nicht anders. (Ich hoffe, dass diese pauschale Ausrede akzeptiert wird.) Oder haben wir es uns zu einfach gemacht? Nicht selbst genug an den Umständen gearbeitet, die uns nicht gepasst haben?

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