Den Brandenburg Tag 2010 in Schwedt habe ich mal zum Anlass genommen, ein paar Lieder vorzustellen, die direkt und indirekt die Stadt Schwedt und das Leben in ihr beschreiben. Es geht hierbei auch um die Frage, wie sich die Stadt selbst wahrnimmt und durch andere, also auswärtige Liedermacher, wahrgenommen wird.
Beginnen wir mit den Liedern, die eher allgemeingültige Aussagen über Brandenburg treffen.
Fangen wir an mit der:
Brandenburgische Landeshymne – „Märkische Heide, Märkischer Sand“ – von Gustav Büchsenschütz
Zur Konstituierung des Brandenburger Landtages 1990 wurde „Märkische Heide, Märkischer Sand“ das erste Mal in einem offiziellen Rahmen gesungen. Seitdem hat es sich als inoffizielle Landeshymne etabliert.
Mittlerweile haben die Einen oder Anderen ein Problem mit dem Lied als Hymne, da die Rolle des Autors und Komponisten Büchsenschütz in der Nazi Zeit nicht ganz unproblematisch sein soll. Auch sollen Schallplatten gefunden worden sein, auf denen das Lied zusammen mit dem Horst Wessels Lied zu finden ist. Auch die Vereinnahmung des Liedes in der Liedguttradition der Wehrmacht stößt einigen Leuten bitter auf. Abschaffen kann man etwas Inoffizielles zwar nicht, aber totschweigen.
Mal ganz ehrlich – bis weit in die 1990er Jahre hatte man überhaupt kein Problem damit, dieses Lied als Hymne zu singen, obwohl der Gebrauch innerhalb der soldatischen Tradition durchaus bekannt war. Es wurde regelmäßig zur Mittagszeit im Radio und natürlich auf Volksfesten gespielt. Wenn man jetzt alle Lieder und musikalischen Stücke verbannen würde, die auch nur während 1933-1945 gesummt worden sind …
Eine urdeutsche Sitte von der Beschäftigung mit Luxusproblemen.
Dem Lied selbst merkt man seine braune Vergangenheit nicht an (wobei es vor der Nazidiktatur entstand). Es betont auf schlichte Art und Weise die Schönheiten der Heimat („Heide, Sand, dunkle Kiefernwälder …“) und traf deshalb genau in die kulturelle und heimatbezogene Lücke der Nachwendezeit. Nur durch solche textlichen Plattheiten (wie bei den meisten Hymnen) konnten die entwurzelten Brandenburger zu einer regionalen Identität finden.
Musikalisch recht schmissig komponiert, erinnert es an die Wanderlieder des frühen 20. Jahrhunderts, was wahrscheinlich vom Komponisten auch so beabsichtigt war. Etwas mehr betont und durch ein Orchester gespielt, versteht man, warum es als Marschlied ein Erfolg in der Armee war. Man darf es nur nicht als Schlager oder in einer Popversion spielen, das gibt die musikalische Anlage des Liedes nicht her. Ansonsten braucht sich diese Hymne hinter ihren Kolleginnen aus den anderen Bundesländern nicht verstecken.
Obwohl die märkische Hymne in keinem Wort Schwedt erwähnt, war es das erste Lied mit Brandenburgischem Bezug, das auch die Schwedter nach 1990 kennenlernten und akzeptierten. Eben aus Ermangelung einer eigenen Hymne.
Brandenburg von Rainald Grebe
Die erste richtige Erwähnung fand Schwedt in der rotzfrechen, alternativen Landeshymne Brandenburgs von Rainald Grebe. Bevor er in den gesellschaftskritischen Diskurs abtauchte, war Grebe ein begnadeter Texter, der in wenigen Worten das ausdrücken konnte, was alle dachten, aber aus Anstand nicht sagen würden. Und man lachte trotzdem. Vor allem über „Brandenburg“. Jeder hat dort seine eigene Lieblingszeile. Ob es nun die 3 Nazis auf dem Hügel sind, die keinen zum Verprügeln finden oder Achim Menzel, der seinen Auftrittsort in Schwedt nicht finden kann (ein Autohaus).
Da sich die Situation in Schwedt nicht groß von der des übrigen Brandenburgs unterscheidet, wird man an dieses Lied denken, wenn man Schwedt als in Brandenburg liegend beschreibt. Für Auswärtige besteht da ohnehin kein Unterschied. Wie im Lied besungen – alles öde, ein paar Nazis, wiederkehrende Wölfe und eben Achim Menzel, der das Autohaus in Schwedt nicht finden kann. Übrigens hat Achim Menzel beim Brandenburg Tag wirklich in Schwedt gesungen. Soweit ich weiß, war es kein Autohaus – weshalb er wohl auch pünktlich auf der Bühne stand.
Wer auch nur ein wenig Humor sein eigen nennt, kann über dieses Land auch als Brandenburger lachen.
Direkt über Schwedt gibt es meines Wissen nur die folgenden 2 Lieder, die man ernst nehmen muss.
He Schwedt, Stadt an der Oder von der AVUS Band
Hier gibt es nicht viel zu sagen. Wenn das die offizielle „Hymne“ der Stadt sein soll, weiß ich auch nicht mehr weiter.
Die Motivation, diesen Song zu schreiben, tritt klar und deutlich hervor: Auftragsarbeit. So authentisch wie eine Kuh auf dem Mond. Musikalisch altbacken und auf Hau-Ruck getrimmt. Ich schlafe fast ein, wenn ich den Song durchhören soll.
Interpret ist die AVUS Band (Text: Detlef Grosenick), die es mit Auftritten bei Dorf- und Stadtfesten zu lokaler Bekanntheit gebracht hat. Vom Prinzip her eine reine Coverband, wie sie so oft im ländlichen Bereich anzutreffen sind. Spielen alles nach, von AC/DC bis deutschen Schlager.
Gehen wir mal kurz in den Text:
„Schwedt war mal grau …“
Jap. Wobei es schon mutig ist, ein Lied mit so einer Textzeile zu eröffnen.
„Schwedt war mal groß, was ist schon Größe …“
Das ist ja fast schon philosophisch gefragt. Aber um die Frage zu beantworten: Schwedt war mal um die 60.000 Einwohner „groß“, während es jetzt etwa 39.000 sind.
„Schwedt war mal jung, doch das ist Geschichte.“
Mein Gott, eine Textzeile über die ich kein bischen meckern kann. Jawoll.
„Es gibt vieles zu sehen, wenn man hinsieht …“
Ähm, oooookay …
„Unser Zuhause, wir sind gerne hier.“
Gut, bis auf die Heerscharen junger Menschen, die nach der Schule so schnell wie möglich weg wollen.
„Wir haben Spass, wir hab’n Unterhaltung …“
Das will Euch auch keiner nehmen. Nur belästigt bitte andere Leute nicht damit.
„Und wenn noch was fehlt, wir sind weltoffen …“
Also dafür lege ich meine Hand nicht ins Feuer. Nur für einige, wenige Leute dort.
„Man sagt so daher, hier ist alles trist. Ich frag ungeniert, hey Mann, ob du spinnst“
Abgesehen von dieses Deutsch, muss ich ungeniert fragen: hey Mann, was hast du geraucht? Auf eine objektive Bestandsanalyse mit solchen Frechheiten zu reagieren … tztztz
Perle der Uckermark von DJ Kidney & Ille
Nach allem was ich weiß, stammt der dieser Song von 2006. Interpreten waren eingeborene Schwedter, die sich DJ Kidney und Ille nennen. Das dazugehörige Video produzierten Christian Krüger & Thomas Weinhold von der damaligen imagecrew, heute www.fotodesginberlin.de. Die auf Youtube zu findenden Versionen sind alle nicht von überragender Qualität, aber wenigstens findet man das Video dort noch. Alternativ kann man es sich auch von den Webseiten der Videoproduzenten herunterladen.
Durch seinen HipHop Stil und kritischen Charakter wird dieses Lied wahrscheinlich nicht den Geschmack eines Großteils der (älteren) Schwedter treffen, aber die etwas jüngeren Leute identifizieren sich durchaus mit den Aussagen des Songs. Viele der im Video dargestellten Orte gibt es mittlerweile schon gar nicht mehr. Das Video wurde ja in den Neubauvierteln gedreht, die aufgrund von Leerstand und Wegzug inzwischen abgerissen wurden.
Mir gefällt er um einiges besser, als alberne, zusammengestückelte Auftragsarbeiten.
Schickes Schwedt
Das hätte ich fast vergessen. „Schickes Schwedt“ erinnert nicht nur zufällig an „Dickes B.“ von Seeed und ist nicht ganz ernstzunehmen.
Ich habe es bei megadavid gefunden, der das Ganze (unter Mithilfe von Kuttner ?) wohl auch verbrochen hat. Ich hatte das Lied nicht so genuschelt in Erinnerung, daher gibt es hier den Songtext zum Nachlesen -> Schickes Schwedt (Lyrics).
Nichtsdestotrotz eine amüsante Beschreibung des Schwedter Selbstverständnis.
Das ist Schwedt – KempiRF
Neu hinzugekommen. Gefunden auf dem Youtube-Kanal eines Nutzers namens KempiJF. Ob dieser „Kempi“ auch Schöpfer und Interpret des besagten Schwedt-Liedes ist, kann ich nicht sagen.
Beim Text bin ich mir auch nicht sicher, ob das alles ironisch gemeint sein soll. Der Track wurde offensichtlich nachträglich noch mit Photos aus Schwedts Geschichte unterlegt. Zur Musik sage ich hier mal nichts.
Hallo, guter Artikel. Sehe es ähnlich. Habe vor Kurzem noch dieses Lied hier https://www.youtube.com/watch?v=ZtE3g8ZG7Ek gefunden. Leider kann ich mit Rap & Hip Hop nichts anfangen.
Dieser Song ist irgendwie an mir vorbeigegangen. Könnte aber auch daran liegen, dass er musikalisch und thematisch nicht zu den im Artikel vorgestellten Liedern aufschliessen kann.
Ich werde darüber nachdenken, ihn noch in die Besprechung mit aufzunehmen.