Seit mehreren Jahren bin ich am Pfingstmontag in Sachen Deutscher Mühlentag unterwegs. Ich habe dabei schon so einige Mühlen besichtigt und war nie wirklich enttäuscht. Selbst den lausigsten Objekten konnte man noch irgendwo, irgendwie etwas abgewinnen.
Das Problem ist immer, dass man sich eine Route zusammenbasteln muss, um an diesem einen Tag soviele Mühlen wie möglich abzuklappern, ohne dass es stressig wird. Dieses Mal zog es mich in den Reinstädter Grund, was ein landschaftlich auffälliges Seitental des Saaletals ist, um die Obermühle Geunitz zu besichtigen.
Das Mühlwesen im Reinstädter Grund hat eine lange Tradition, aber im Betrieb ist keine Mühle mehr. Das hat verschiedene Gründe. Hauptsächlich verantwortlich an diesem Zustand ist die mittlerweile unzureichende Wasserführung des Reinstädter Bachs, der früher alle Mühlen angetrieben hat und die damit einhergehend Unrentabilität der Wasserkraft. Vielleicht kommt das alles einmal wieder, wenn sich das Energiesystem radikal ändern muss, aber bis jetzt kann man von der Müllerei nicht (über)leben. Zumindest nicht in Vollzeit.
Dasselbe Schicksal hat auch die Obermühle bei Geunitz ereilt und jetzt wird die eigentlich noch gut erhaltene Mühlentechnik nur zu Vorführungszwecken am Mühlentag in Betrieb genommen. Die Mühle selbst liegt sehr idyllisch rund einen Kilometer westlich von Geunitz an der Landstraße L1062. Der große Vierseithof ist in gutem Zustand und wird als Feriendomizil (?) von der Familie des letzten Müllers betrieben.
Schon von Weitem sah man die Masse an parkenden Autos und wusste somit, wann man sein Ziel erreicht hat. Die erste Überraschung kam dann am Haupttor, wo pro Person 3 € Eintritt fällig wurden. Das ist okay und ich verstehe, dass die Bewirtschaftung eines Anwesens dieser Größe und der Erhalt der Mühlentechnik Geld kostet – aber 3 € bezahlen, nur um auf ein Gehöft zu schauen, wo einem außer ein Getränkewagen und ein Grillstand nicht viel geboten wird …
Zumal damit noch nicht die Besichtigung der Mühltechnik möglich war. Dafür musste man wieder 1 € pro Person löhnen. Warum nicht einen Eintrittspreis von 4 € machen und die Besichtigung und Führung durch die Mühle ist damit abgegolten? So macht das nur den Eindruck von Geldschneiderei!
Die Führung hätte ich mir ehrlich gesagt auch sparen können. Wie gesagt, ich habe an vorherigen Mühlentagen so einige Objekte besichtigen können und die Qualität der Führungen wies dabei eine große Bandbreite auf. In Geunitz rangierten wir eher im unteren Bereich der Skala. Alles wirkte so pflichtmäßig und zwanghaft, wurde wild durcheinander abgehandelt. Wäre ich ein blutiger Anfänger und hätte von Mühlen keine Ahnung – für mich wären das auch nach dieser Führung und den Erklärungen böhmische Dörfer geblieben. Es gab überhaupt keine anschauliche Erklärung, wie das Mehl mahlen überhaupt funktioniert. Man kippt scheinbar einfach einen Sack Getreide in die Mühle und herauskommt Mehl Typ 405. Das wurde aber auch nur erwähnt, weil wir gerade vor einem Plansichter (warum das Gerät so heißt, hätte man ja auch erklären können) standen. Ich hätte wetten können, dass 100% der Zuhörer dort nicht wussten, warum Mehl 405 so heißt wie es heißt und was es noch für andere Mehle gibt. Statt etwas zum Mühlwesen an sich und zu dieser Mühle im Speziellen zu sagen, wurde mir der Sinn eines Eierkorbes erklärt oder wie lange das Brot im Brotkorb hält. Es gab auch noch ein Reservistenbild eines ehemaligen Müllers aus der Kaiserzeit, das unvermittelt besprochen wurde. Da habe ich dann erfahren, dass es beim Kommiß nicht schlecht gewesen sein muss, denn auf dem Bild hatten alle Soldaten einen Bierkrug in der Hand (!). Aus den Abbildungen (Berliner Schloss und Dom) hätte man sehen können, dass es ein Regiment aus der Reichshauptstadt gewesen sein muss, was interessante Fragen aufgeworfen und Stoff für ein paar kurzweilige Anekdoten geboten hätte. Aber, lieber Leser – Du wirst es Dir denken können – auch dieser Elfmeter wurde nicht verwandelt.
Aus dem Maschinenraum der Mühle, also da wo das Große Kammrad gelagert ist und die Transmissionsriemen in Gang setzt sowie die Walzenstühle noch laufen, habe ich nicht soviele Photos mitgenommen. Das Mühlrad selbst (über 6 Meter Durchmesser) ist so ungünstig eingebaut, dass ein Photo keinen Sinn macht. Der Müller-Opa erklärte mir, dass der Bach seit der Begradigung und dem abgesunkenen Grundwasserspiegel (die derzeitige Landwirtschaft scheint dort eine hohe Wasserentnahme zu betreiben) nicht mehr genug Wasser führt, um die Mühle in dem Maß zu betreiben wie früher. Das ist sehr schade, denn es ließe sich vieleicht ein kleiner Generator anschließen und etwas Strom ins Netz einspeisen.
Nach dieser Führung wurden wir mit einigen subtilen Hinweisen auf die Gastronomie an das Tageslicht entlassen. Das Essen vom Grill (Bratwurst, Brätel, Mutzbraten, Knödel) war gar nicht schlecht, man stand sich aber gefühlt stundenlang die Beine in den Bauch. Auf Runde 2 hatte ich deshalb verzichtet.
Dann das Anwesen und die Umgebung erkundet. Was soll man sagen? Traumhaft! So als Kind aufwachsen dürfen … Ich weiß, das wäre für viele ein langweiliger und öder Graus. Aber für andere ist das eben ein Traum. Sich in Mäandern durch das Tal schlängelnde Bäche, Wiesen voller Margeriten, die waldbestandenen Berghänge nebenan und bis zum nächsten Nachbarn ist es ein gutes Stück.
Übrigens: wenn man nach Osten in das sich weitende Tal schaut, sieht man am Horizont die Hügel der Saalehänge und auf dem einen Berg thront die Leuchtenburg bei Seitenroda. Wo hat man den außerhalb des Thüringer Waldes noch solche spektakulären Ausblicke!
Die nächste Mühle hätte die Wassermühle in Freienorla sein sollen, aber der einzige Zugang über die Saale war als gesperrt ausgewiesen. Zurück haben wir es dann im Rücken des Reinstädter Grundes versucht, aber die Dame des Hauses weigert sich partout, Abkürzungen zu benutzen. So sind wir aber am Ortsausgang von Dienstädt auf ein Mohnfeld gestoßen, was ich euch phototechnisch nicht vorenthalten möchte. Natürlich ist es kein Mohnfeld per se, sondern ein Rapsfeld, was nicht gegen Klatschmohn gespritzt zu werden scheint – aber ihr wisst, wie ich es meine. In der Uckermark ist man noch dauernd auf Klatschmohn gestoßen, in Thüringen ist das fast ein Ding der Unmöglichkeit. Das erklärt auch die vielen Photographen, die neben uns gehalten haben.