Stadtschloss Berlin und Humboldt-Box

Am Donnerstag, dem 14. Juli habe ich es dann auch geschafft, diese in die Berliner Landschaft gesetzte Humboldt-Box in Augenschein zu nehmen. Hier also mein kleiner Bericht mit Photos.

Das Kreuz mit dem Berliner Stadtschloss

Ich möchte eines klarstellen: Mir ist dieser ganze Hype um den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses mehr als suspekt. Die Berliner sind knapp 60 Jahre ohne diese monströse Ausgeburt des Preussischen Barock ausgekommen, sie wären es auch weiterhin.
Man könnte ausgiebig und erregt darüber diskutieren, inwieweit die Sprengung im Jahre 1950notwendig oder gerechtfertigt war, aber genauso sollte man objektiv und ohne Scheuklappen diskutieren, ob der jetzige Wiederaufbau nötig ist. Mittlerweile hat sich da ja eine ganz schöne Fördervereins- und Initiativenindustrie herausgebildet, die natürlich nur das Beste für Berlins Mitte möchte. Und dazu gehört ihrer Meinung nach ein Stadtschloss. Die damaligen Entscheider und Machthaber hätten dem Schloss damals Unrecht getan, indem sie es als Symbol des preussischen Absolutismus gebrandmarkt haben – und dieses Unrecht müsse nun wiedergutgemacht werden. Dabei übersehen sie schon einmal eins: es war ein Symbol für den preussischen Absolutismus. Definitiv. Wenn man schon über architekturpolitische Sünden redet, darf man vom Palast der Republik nicht schweigen.

Humboldt-Box | Palazzo Prozzo
Humboldt-Box | Palazzo Prozzo

Die bautechnische Postmoderne der DDR verleumden und durch Abriss negieren, aber der einfallslosen Architektur des wilhelminischen Berlins hinterherweinen.

Was soll denn Berlin bloß mit diesem preussischen Disneyland anfangen?

Hier bot sich doch die einmalige Chance, eine bautechnisch in vielen Bereichen festgefahrene Stadt wie Berlin in das 21. Jahrhundert zu führen. Es gibt doch nun wahrlich Architekten von Weltrang, denen so etwas durchaus zuzutrauen ist. Zaha Hadid beispielsweise. Stattdessen zieht dieser Förderverein Franco Stella aus dem Hut. Das sollte jetzt nicht mißverstanden werden, wahrscheinlich ist Stella für die Art von Bauprojekt genau der richtige Mann. Die Aussage über Berlin, welches arm aber sexy sei, wird für den ersten Teil noch einmal unterstrichen und im zweiten sogar widerlegt. Das ist nicht sexy!
Einschub
Klaus Brake, seines Zeichens Professor für Stadt- und Regionalentwicklung an der TU Berlin schießt sich in der Berliner Zeitung vom 20. Juli 2011 ebenso auf das Humboldt-Forum ein. Sein programmatisch betitelter Beitrag „Ziehen wir die Notbremse!“ kritisiert aber vor allem die interne Ausstellungs- und Museenkonzeption. Man hat aber immer das Gefühl, dass er dem Vorhaben an sich positiv gegenübersteht, wenn man nur alles nach seinen Vorgaben machen würde:

Mit den Problemen des Entwurfes von Franco Stella wird man nun leben müssen.

Es fehle ein „integrierender Dompteur der Einzelinteressen“ oder auch „Intendant des Humboldt-Forums„, da die Hauptakteure sich in einem aufreibenden Kompetenzgerangel verzehren. Er schreibt:

Die einzelnen Institutionen verteidigen ihre Autonomie bis hin zur Abteilungsebene, jeder Nutzer hat seine Stiftung, Beiräte, Kuratoren, Ausstellungsarchitekten.

Als ob es so einfach wäre …

Wer dieser starke Mann oder diese starke Frau sein soll, erfärt der Leser auch nicht. Dabei wäre es ein leichtes für den Professor von der TU gewesen, Roß und Reiter zu benennen.

Ob hier ein wahrer Kritiker der Sache an sich spricht oder doch nur ein enttäuschter Initiator (laut Artikel ist er „Miterfinder der Agora“ – eines geplanten Haupthofes im Humboldt-Forum, der wohl nicht ganz so realisiert wird, wie gedacht) – das mag dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall zeigt Prof. Brake noch ganz andere Unstimmigkeiten in dieser angeblich größten deutschen kulturtechnischen Leistung des 21. Jahrhunderts auf.
Einschub Ende

Ich höre schon förmlich das Totschlagargument der Befürworter, wer gegen das Stadtschloss sei, könne nur unverbesserlicher Kommunist und/oder gegen den Bildungs- und Wissenschaftsstandort Berlin sein (da ja mit den Staatlichen Museen und der Zentralbibliothek Schwergewichte aus dem Bereich dort einziehen sollen). Nein, ich habe nichts dagegen, wenn diesen Einrichtungen mehr öffentlicher Raum und eine bessere Ausstattung zugestanden wird. Im Gegenteil. Ich habe nur etwas dagegen, dass das unter dem historisierenden und altbackenen Deckmantel des Stadtschlosses geschehen soll.

Was wollen die eigentlich für eine Außenwirkung erzeugen? Ihr Völker dieser Welt, schaut auf dieses Legoland? Wir können nicht modern, nur historisch? Es war nicht alles schlecht unterm Kaiser?

Es ist bedauerlich, dass uns die Schwaben mit Stuttgart 21 vorführen, wie sich der Ausdruck von Volkes Unwille artikulieren kann., aber wahrscheinlich denkt der gewöhnliche Berliner immer noch, da baut ein lustiger Verein von Monarchisten ihr Schlösschen wieder auf. So quasi nur mit eigenem Geld und ohne Zuschuss aus Steuergeldern. Wenn ich das richtig verstanden habe, wird der Wiederaufbau mit einem Volumen um die 1 Milliarde € veranschlagt – da glauben die, das bezahlt so ein Förderverein aus der Portokasse ohne Vater Staat zu fragen? Aber wenn die nächste Abgabenwelle kommt, immer schön die Faust in der Tasche ballen.

Die Humboldt-Box – Reizpunkt im Zentrum Berlins

Berlin Humboldt-Box Aussenansicht
Berlin – Humboldt-Box

Kommen wir einmal zu dieser Box. Allein die Architektur führt das eigentliche Anliegen ad absurdum. So gewollt modern kann das Ding doch nie und nimmer für den angestrebten preussischen Barock werben. Bei mir weckt das Erinnerungen an die rote Infobox für die Bebauung des Potsdamer Platzes damals. Gut, die Humboldt-Box ist da architektonisch ein wenig komplexer, aber genau deshalb auch völlig konträr zum späteren Bauprojekt. Diese eigenwillige Form, die blau-silberne Farbgebung, die vielen Winkel und Teilflächen – das beisst sich ganz schrecklich mit dem eigentlichen Anliegen und fügt sich auch nicht gut in das Ambiente ein.

Der Eintritt fällt mit 2 € durchaus moderat aus, vielleicht wird das nochmal erhöht, aber bis jetzt kann man damit leben. Der automatische Einlaß mittels QR Tickets funktioniert nicht richtig, weshalb bei meinem Besuch immer noch Sicherheitskräfte den Einlaß regelten. Das Personal könnte eine Auffrischung im freundlich lächeln bzw. kommunizieren gut gebrauchen. Weshalb ich für ein paar Photos von der bautechnischen Ausführung nicht unter die Box durfte (ist ja durch die Courbusierung – d.h. von Pfeilern getragen – begehbar), bleibt das Geheimnis des Veranstalters.
Die erste Ebene ist der Initiative zum Wiederaufbau vorbehalten.

Humboldt-Box - 3D-Modell
Humboldt-Box – 3D-Modell

Ein schön gestaltetes 3D Modell der historischen Mitte Berlins könnte einem das Ansinnen glatt schmackhaft machen. Dazwischen alte Photos und Ansichten des Schlosses. Ein mehr als objektives Video mit Ennio Morriconnes „Chi Mai“ unterlegt (*hüstel*). Einige Artefakte wie Engelsfiguren, Wappen und Adler runden das ganze ab. Ein Bereich ist dem Museumsshop vorbehalten.
Die anderen Ebenen fand ich persönlich uninteressant und suboptimal gestaltet. Wenn mich ethnologische Ausstellungen interessieren, halte ich mich an das Original und gehe ins Ethnologische Museum. Zudem wurde ich in preussischem Kasernenhofton darauf hingewiesen, dass Rucksäcke bitte an der Garderobe abzugeben oder in der Hand zu halten sind, aber um Gottes Willen nicht auf dem Rücken getragen werden (?). Ähnlich undurchsichtig sind die Vorgaben für das Photographieren. Während man 3D-Modell förmlich dazu angehalten wurde, dies aufs Bild zu bringen, wurde in den anderen Ebenen das Photographieren mit Blitzlicht schroff untersagt. Durch die abgedunkelten Räume und dem minimalen Lichteintrag von Außen, ist die Zuschaltung des Blitzlichtes aber unabdingbar, will man ein vernünftiges Photo schiessen. Hier muss durch Hinweisschilder oder vorheriger Belehrung seitens der Aufsicht nachgebessert werden.
Die Sky-Lounge in der 4. Ebene ist für Besucher nicht begehbar. Angeblich kann man die für eigene Events mieten, ich konnte aber nicht in Erfahrung bringen, was das kostet.

Cafe und Restaurant Humboldt-Terrassen

Humboldt-Box | Ausblick
Humboldt-Box | Ausblick

Auf der 5. Ebene erwartet einen endlich der Lohn für die zuvor aufgebrachten Mühen – die Humboldt-Terrassen. Zwei zum Cafe gehörende Terrassenbereiche ermöglichen eine tolle Aussicht auf den Boulevard Unter den Linden zur Alten Nationalgalerie hin und (relativ unspektakulär) auf die Brache und zukünftigen Standort des Humboldtforums am ehemaligen Staatsratsgebäude. Das Cafe ist innen in einer seltsamen Mischung aus Barockanklängen und Plastik-chic ausgestattet. Bunte Holzapplikationen in Türkisblau, Flieder und Goldfarbe beissen sich mit durchsichtigen Plastikstühlen (wer designed durchsichtige Plastikstühle?). Die Sitzbereiche draussen stellen sich völlig anders dar. Holzplanken mit Holztischen und -stühlen bzw. -bänken, dazu ein paar weisse Sonnenschirme – mich erinnnerte das eher an Biergarten oder Strandbar. Der versprochene Ausblick beim Kaffeetrinken ist eine Illusion. Entweder man sitzt direkt an der Balustrade oder ist selbst im Sitzen 3 Meter groß, ansonsten hat man keine Chance, etwas zu sehen. Zumal die meiste Zeit die Schaulustigen am vollverkleideten Metallgeländer stehen und die Sicht versperren. Das Pulsieren des Stadtlebens, das zum leisen Rauschen werden soll, kann nur euphemistisch verstanden werden. Auf der Seite, die zu den Unter den Linden weist, ist durchaus etwas vom wuseligen Großstadtflair zu spüren.

Die Sachen auf der Karte sind im Großen und Ganzen in Ordnung. Das Hauptaugenmerk liegt auf Kaffeespezialitäten (ein paar Tees gibt es auch) wie dem „Kaiser Latte Macchiatto“ und Torten. Die anderen Sachen für den kleinen oder großen Hunger habe ich geflissentlich überblättert, da ich mein wöchentliches Haushaltsgeld nicht gleich mit einem Mal ausgeben wollte. Die Preise sind der Touristengegend dort angemessen, der Service ist zuvorkommend und gut organisiert.

Fazit

Bis auf die Terrassen und das Cafe dort hat mich die Humboldt-Box weder als eigenständiger Bau noch vom Wiederaufbau des Stadtschlosses/Humboldtforums überzeugen können. Das kann bei anderen Leuten anders aussehen, daher kann ich nur raten, diesen Metallklops selbst in Augenschein zu nehmen und sich ein Urteil zu bilden.
Noch ist es nicht zu spät und der barocke Zombie nicht realisiert worden.

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